Verkehrsrecht
Wer die Kurve schneidet haftet trotz Vorfahrt
München/Berlin (DAV). Wer Vorfahrt hat und beim Linksabbiegen die Kurve schneidet, muss bei einem Crash mit 60 Prozent überwiegend haften. Den Unfallgegner treffen noch 40 Prozent. Die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über eine Entscheidung des Landgerichts München II vom 20. Januar 2023 (AZ: 11 O 2351/21). |
Plötzliche Vollbremsung ohne Grund führt zu hoher Haftung
Hamburg/Berlin (DAV). Wer ohne zwingenden Grund stark abbremst, haftet bei einem Unfall zu großen Teilen. Dies entschied das Landgericht Hamburg am 23. September 2022 (AZ: 331 O 134/21), informiert die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV). |
Schäden durch brennenden Roller – haftet der Halter?
Bremen/Berlin (DAV). Der Halter eines abgestellten Rollers muss nicht haften, wenn das Fahrzeug aus ungeklärter Ursache in Brand gerät und dabei Eigentum Anderer beschädigt wird. Dies entschied das Oberlandesgericht Bremen am 05. Juli 2023 (AZ: 1 U 12/23), wie die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mitteilt. |
Fahrzeugkolonne: Wer haftet bei mehreren Überholern?
Rottweil/Berlin (DAV). Die Betriebsgefahr eines Autos kann bei einem Unfall im Einzelfall deutlich sinken. Das kann dann der Fall sein, wenn ein Wagen beim Überholen einer Kolonne sich bereits im Wesentlichen auf der Gegenfahrbahn befindet und ein zweiter Wagen davor ausschert. Dann haftet der erste Wagen aus der Betriebsgefahr nur zu 20 Prozent. Auf die Entscheidung des Amtsgerichts Rottweil vom 15. Dezember 2022 (AZ: 2 C 226/22) macht die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) aufmerksam. |
Nachweis eines abgesprochenen Unfalls durch ungewöhnliche Häufung typischer Umstände
Düsseldorf/Berlin (DAV). Abgesprochene Unfälle können durch eine ungewöhnliche Häufung typischer Umstände nachgewiesen werden. Dazu gehört etwa die fehlende Nachvollziehbarkeit des Unfalls und das Verschweigen von Vorschäden. Dies ergibt sich aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf vom 28. August 2023 (AZ: I-1 U 143/22). |
Kein Rotlichtverstoß bei defekter Ampel?
Hamburg/Berlin (DAV). Radfahrer, die bei einer defekten Ampel die Kreuzung bei Rot überqueren, können nicht wegen eines Rotlichtverstoßes zu einer Geldbuße verurteilt werden. Dies hat das Oberlandesgericht Hamburg am 11. September 2023 (AZ: 5 ORbs 25/23) entschieden, wie die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert.
Eine Radfahrerin hielt an einer Kreuzung, die Ampel dort reagierte für den Kraftverkehr nur bei Bedarf. Die Lichtzeichenanlage zeigte Rot, obwohl die Radfahrerin bereits mehrere Minuten gewartet hatte. Da sie einen Defekt vermutete, fuhr die Frau bei Rot weiter. Es stellte sich heraus, dass die Ampel technisch nicht defekt war, sondern mit einer Kontaktschleife ausgerüstet war, die möglicherweise von Radfahrern nicht ausgelöst werden konnte.
Das Amtsgericht verurteilte die Radfahrerin wegen eines vorsätzlichen Rotlichtverstoßes zu einer Geldbuße von 100 Euro. Die Frau wehrte sich mit anwaltlicher Hilfe erfolgreich. Das Oberlandesgericht hob das Urteil auf. Die Radfahrerin habe sich geirrt, was den Vorsatz ausschließe. Wenn eine Ampel durch technische Störungen dauerhaft Rot zeigt, hat sie keine rechtliche Wirkung. Radfahrer seien nicht verpflichtet, in solchen Fällen abzusteigen und als Fußgänger zu agieren. Die erhöhten Sorgfaltsanforderungen, die der Betroffenen beim Überqueren der Kreuzung oblagen, wurden nach Feststellung des Gerichts eingehalten.
Information: www.verkehrsrecht.de
Rettungsgasse auf autobahnähnlicher Straße?
München/Berlin (DAV). Auf autobahnähnlich ausgebauten innerörtlichen Straßen muss keine Rettungsgasse gebildet werden. Die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über eine Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 26. September 2023 (AZ: 201 ObOWi 971/23). Ein Autofahrer war auf einer Bundesstraße im Stadtgebiet unterwegs, die Strecke hatte baulich getrennte zweispurige Fahrbahnen in jede Richtung. Dem Mann wurde vorgeworfen, dass er keine Rettungsgasse gebildet hatte. Dafür sollte er eine Geldbuße von 240 Euro zahlen. Der Autofahrer legte jedoch Rechtsbeschwerde ein und argumentierte, dass innerorts keine Pflicht zur Bildung einer Rettungsgasse bestehe. Damit war er erfolgreich: Das BayObLG hob das Urteil des Amtsgerichts auf. Die Pflicht zur Bildung einer Rettungsgasse gilt dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes nach (§ 11 Abs. 2 StVO) nicht für den innerstädtischen Verkehr auf einer Bundesstraße. Der autobahnähnliche Ausbau ändere daran nichts. Die Vorschrift benenne lediglich Autobahnen sowie Außerortsstraßen mit mindestens zwei Fahrstreifen für eine Richtung. Eine Autobahn könne zwar auch innerstädtisch verlaufen, dies ist hier aber nicht festgestellt. Die Eigenschaft einer Straße als Autobahn werde nicht durch bestimmte Merkmale oder den Ausbau, sondern durch das betreffende Verkehrsschild beschrieben.
Anordnung von Fahrverbot und Sperrfrist schließt sich regelmäßig aus
Hamm/Berlin (DAV). Die gleichzeitige Anordnung eines Fahrverbots und einer isolierten Sperrfrist schließen sich regelmäßig aus. Dies entschied das Oberlandesgericht Hamm am 8. August 2023 (AZ: III-5 ORs 46/23), wie die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV).Im konkreten Fall war der Angeklagte wegen Alkohol am Steuer verurteilt worden. Das Amtsgericht hatte neben der Geldstrafe auch ein sechsmonatiges Fahrverbot verhängt. Zudem entschied das Gericht auf eine zweijährige Sperrfrist, in der der Mann nicht erneut den Führerschein hätte machen können. Das Oberlandesgericht hob diese Entscheidung und das Fahrverbot auf. Die Anordnung eines Fahrverbots und einer Sperrfrist komme nur in Betracht, wenn der Täter auch das Fahren mit Fahrzeugen, die ohne Führerschein gefahren werden können, unterbunden werden soll. Dies war aber in diesem Fall nicht gegeben.Information: www.verkehrsrecht.de Pressemitteilung vom 04.01.2024
Schwerbehinderten-Parkplätze: Wo muss der Parkausweis liegen?
Schwerin/Berlin (DAV) – Ein Parkausweis für Behinderten-Parkplätze muss hinter der Windschutzscheibe gut lesbar sein, die Lage auf der Mittelkonsole des Wagens reicht nicht aus. Dies entschied das Amtsgericht Schwerin am 08. Mai 2023 (AZ: 35 OWi 83/23), wie die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mitteilt. |
Erhöhung der Geldbuße – dafür kürzeres Fahrverbot
Köln/Berlin (DAV). Wer zu schnell fährt, muss mit einer Geldbuße und womöglich mit einem Fahrverbot rechnen. Allerdings kann das angeordnete Fahrverbot reduziert und im Gegenzug die Geldbuße erhöht werden. Dies kann das Gericht auch durch einen Beschluss, also ohne mündliche Verhandlung tun, wenn es im Interesse des Betroffenen ist. Eine vorherige Einvernahme über die Höhe des Bußgeldes – hier mehr als das Doppelte - Bußgeld ist nicht nötig. Das ergibt sich aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln vom 07. Dezember 2022 (AZ: 1 RBs 373/22), wie die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mitteilt.
Der Betroffene war außerorts so schnell unterwegs, dass gegen ihn ein Bußgeld von 700 Euro verhängt und zugleich ein zweimonatiges Fahrverbot angeordnet wurde. Hiergegen legte der Betroffene Einspruch ein. Nach dem von Seiten des Gerichts ein Termin bestimmt wurde, erklärte der Betroffene sein Einverständnis mit einer Entscheidung im Beschlussverfahren, also ohne eine mündliche Verhandlung. Er knüpfte dies an die Bedingung „wenn lediglich ein einmonatiges Fahrverbot gegen angemessene Erhöhung der Geldbuße (nach vorheriger Verständigung mit der Verteidigung) verhängt“ werde.
Das Amtsgericht informierte den Betroffenen, es sei beabsichtigt, die Geldbuße auf 1.500 Euro zu erhöhen und das Fahrverbot auf einen Monat zu reduzieren. Eine Reaktion des Betroffenen auf dieses Schreiben blieb aus, daraufhin entschied das Amtsgericht dementsprechend. Die Beschwerde des Mannes richtete sich dann gegen die Entscheidung im Beschlusswege, letztlich, weil es keine Mitwirkungsmöglichkeit bei der Frage gegeben hat, was eine „angemessene Erhöhung“ der Geldbuße sei.
Ebenfalls per Beschluss entschied das Oberlandesgericht, dass die Entscheidung des Amtsgerichts Bestand habe. Das Gericht habe die Entscheidung per Beschluss treffen dürfen. Es bestünden keine Bedenken dagegen, dass das Gericht per Ermessen die Geldbuße derart erhöht hatte. Eine Verständigung sei nicht nötig gewesen. Die Reduzierung des Fahrverbots entspräche vollumfänglich den Vorstellungen des Betroffenen. Auch die im Gegenzug erfolgte Erhöhung der Geldbuße auf etwas mehr als das Doppelte sei angemessen. Zudem habe das Gericht durch seine Fristsetzung zu erkennen gegeben, dass es vor Fristablauf nicht entscheiden werde. Das Gericht müsse in solchen Fällen nicht mehr „nachfragen“.
Information: www.verkehrsrecht.de