Tipp des Monats
Weg zum Supermarkt ist im Home-Office nicht unfallversichert
April 2024
Würzburg/Berlin (DAV). Wege zur Nahrungsaufnahme im Home-Office fallen nicht unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Über eine entsprechende Entscheidung des Sozialgerichts Würzburg vom 27. März 2023 (AZ: S 5 U 6/23) informiert das Rechtsportal „anwaltauskunft.de“. |
Bewilligung von Bürgergeld: Muss Hausgrundstück immer verwertet werden?
April 2024 München/Berlin (DAV). Unter bestimmten Umständen müssen Vermögenswerte wie ein Hausgrundstück für die Bewilligung von Bürgergeld nicht verwertet werden. Dies entschied das Landessozialgericht München am 06. Februar 2023 (AZ: L 16 AS 18/23 B ER). Diese Entscheidung bezieht sich auf die Verwertbarkeit von Vermögen bei der Bewilligung von Bürgergeld sowohl in Form von Darlehen als auch von Zuschüssen, erläutert die Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV). |
Weihnachts-Shopping: Rechtsfragen für den Geschenkeumtausch
März 2024 Der sogen. Warenumtausch ist das ganze Jahr aktuell Berlin (DAA). Nachdem der alljährliche Weihnachtsbummel abflaut, trifft die Geschenkevorfreude bekanntermaßen auf die Realität unterm Weihnachtsbaum. Nicht jedes Geschenk gefällt oder ist mängelfrei. Dann stellt sich die Frage, welche Rechte für Käufer:innen und Beschenkte bestehen, die erworbenen Waren umzutauschen. |
Arbeitnehmerrechte zu Weihnachten: Urlaub, Weihnachtsgeld und Geschenke
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Betriebliches Eingliederungsmanagement nur mit Transparenz und Datenschutz
Januar 2024 Braunschweig/Berlin (DAV). Eine personenbedingte Kündigung ist unwirksam, wenn das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) nicht transparent und datenschutzkonform durchgeführt wurde. Auf die Entscheidung des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 29. November 2022 (AZ: 2 Ca 173/22) weist die Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) hin.
Ein langjähriger Mitarbeiter wurde aufgrund häufiger Kurzzeit-Erkrankungen personenbedingt gekündigt. Das Unternehmen argumentierte, dass diese häufigen Ausfälle die Arbeitsprozesse störten und daher eine Kündigung rechtfertigen würde. Der Mann wies jedoch darauf hin, dass kein ausreichender Referenzzeitraum für eine negative Gesundheitsprognose vorhanden war. Darüber kritisierte er, dass das Unternehmen kein betriebliches Eingliederungsmanagement durchgeführt hatte, um seine Arbeitsfähigkeit zu verbessern oder Alternativen zu finden.
Das Gericht gab dem klagenden Mitarbeiter recht. Die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Die Fehlzeiten des Klägers seien nicht ausreichend, um eine negative Gesundheitsprognose zu rechtfertigen. Ein weiterer Mangel bestünde im unzureichenden BEM-Verfahren, insbesondere im Hinblick auf die fehlende Transparenz und den unzureichenden Datenschutz. Darüber hinaus war die Anhörung des Betriebsrats fehlerhaft, was zusätzlich zur Unwirksamkeit der Kündigung führte.
Das Gericht wies besonders auf die Bedeutung des Datenschutzes hin. Die mangelnde Transparenz in Bezug auf die Verarbeitung von Gesundheitsdaten war ein entscheidendes Element für die Unwirksamkeit der Kündigung.
Informationen: www.dav-arbeitsrecht.de
Feuerwerk und illegale Böller: zu Schäden und Strafen an Silvester
Berlin (DAA). „Kaum zu glauben, dass 2023 schon vorbei ist!“ Der Ansturm auf Silvesterfeuerwerk in jeglicher Couleur beginnt dieses Jahr bereits am 28.12., einen Tag früher als sonst – Grund ist, dass der 31.12. auf einen Sonntag fällt. Neben dem legal erhältlichen Feuerwerk deckt sich so mancher auch mit illegaler Pyrotechnik aus dem Ausland ein. Über die Rechtslage informiert das Rechtsportal anwaltauskunft.de. |
Unklarer Unfall – beide Seiten haften zu 50 Prozent
Tipp des Monats Dezember 2023
Pedelec-Fahrer nicht auf dem Radweg – alleinige Haftung
Nürnberg/Berlin (DAV). Ein Pedelec-Fahrer muss allein für einen Unfall haften, wenn er den Radweg ignoriert. Damit verstößt er gegen die vorgeschriebene Nutzungspflicht. Die entschied das Landgericht Nürnberg am 23. März 2023 (AZ: 6 O 68/22), informiert die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV).
Ein Pedelec-Fahrer fuhr trotz entsprechender Beschilderung nicht auf dem Radweg und kollidierte dabei mit einem Fußgänger. Das Gericht verwies auf die klare Beschilderung und die Verkehrsregeln. Es verurteilte daher den Pedelec-Fahrer, den Schaden zu übernehmen. Der Pedelec-Fahrer habe gegen die Nutzungspflicht des markierten Radwegs verstoßen. Damit muss er allein haften und den entstandenen Schaden bezahlen.
Unklarer Unfall – beide Seiten haften zu 50 Prozent
Essen/Berlin (DAV). Wenn ein Unfall nicht aufgeklärt werden kann, haften beide Parteien zu gleichen Teilen für den entstandenen Schaden. Die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über eine Entscheidung des Amtsgerichts Essen vom 21. Juli 2023 (AZ: 29 C 152/22).
Beide Parteien konnten nicht schlüssig darlegen, wer den Unfall verursacht hat. Der Kläger behauptete, dass der Beklagte rückwärts gefahren sei. Dagegen machte der Beklagte geltend, der Kläger sei auf das stehende Fahrzeug aufgefahren. Ein eingeholtes Sachverständigengutachten brachte ebenfalls keine Klarheit. Zeugen für den Unfall gab es nicht.
Das Gericht kam daher zum Schluss, dass bei derartig unklaren Verhältnissen eine Haftungsteilung angebracht sei. Ein Anscheinsbeweis schied aus, da weder eine unachtsame Rückwärtsfahrt noch ein unachtsames Auffahren festgestellt werden konnte. Daher sei jeder dieser beiden Vorgänge gleichermaßen wahrscheinlich, so das Gericht. Bei einem nicht aufzuklärenden Unfall komme es zu einer Haftungsteilung zu 50 Prozent. Somit mussten beide Parteien den Schaden zur Hälfte tragen.
Information: www.verkehrsrecht.de
Pressemitteilung vom 07.11.2023
Pedelec-Fahrer nicht auf dem Radweg – alleinige Haftung
Tipp des Monats November 2023
Nürnberg/Berlin (DAV). Ein Pedelec-Fahrer muss allein für einen Unfall haften, wenn er den Radweg ignoriert. Damit verstößt er gegen die vorgeschriebene Nutzungspflicht. Die entschied das Landgericht Nürnberg am 23. März 2023 (AZ: 6 O 68/22), informiert die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV).
Ein Pedelec-Fahrer fuhr trotz entsprechender Beschilderung nicht auf dem Radweg und kollidierte dabei mit einem Fußgänger. Das Gericht verwies auf die klare Beschilderung und die Verkehrsregeln. Es verurteilte daher den Pedelec-Fahrer, den Schaden zu übernehmen. Der Pedelec-Fahrer habe gegen die Nutzungspflicht des markierten Radwegs verstoßen. Damit muss er allein haften und den entstandenen Schaden bezahlen.
Kreisverkehr: Spurwechsel und Vorfahrt
Tipp des Monats Oktober 2023 Bonn/Berlin (DAV). Ein Fahrer, der bei der Einfahrt in einen mehrspurigen Kreisverkehr nicht erkennen kann, dass ein anderes Auto im Kreisel die Spur wechseln wird, verletzt nicht die Vorfahrt. Das einfahrende Fahrzeug muss nicht warten, bis kein Fahrzeug mehr erkennbar ist. Die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über eine Entscheidung des Amtsgerichts Bonn vom 25. Oktober 2022 (Aktenzeichen: 113 C 169/21).
Bei dem Verkehrsunfall kollidierte ein in den Kreisverkehr einfahrendes Fahrzeug mit einem Fahrstreifenwechsler. Der Kläger behauptete, dass er den Wagen des Unfallgegners rechtzeitig gesehen habe und dass der Beklagte nicht geblinkt habe, bevor er die Fahrspur wechselte. Der Kläger war der Ansicht, dass die Beklagten haftbar sind, da er bereits ordnungsgemäß in den Kreisverkehr eingefahren war und zudem nicht mit dem Spurwechsel des Beklagten rechnen musste.
Das Gericht kam nach Prüfung des Sachverhaltes und der Beweisaufnahme zu dem Schluss, dass der Fahrstreifenwechsler den Unfall hätte vermeiden können und daher allein für den entstandenen Schaden haftet. Der Einfahrende habe nicht erkennen können, dass der Fahrer im Kreisverkehr die Fahrspur wechselt.
Damit mussten die Beklagten an den Kläger 2.176,04 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten von 627,13 € zahlen. Zudem wurden die Beklagten dazu verurteilt, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Ein Fahrstreifenwechsler hafte allein für den entstandenen Schaden, wenn er den Unfall durch das Unterlassen des Fahrstreifenwechsels hätte vermeiden können.
Information: www.verkehrsrecht.de
Tipp des Monats September 2023
Teure Gutachten bei kleinen Unfällen? Kosten müssen nicht übernommen werden.
Gummersbach/Berlin (DAV). Die Kosten für ein Schadengutachten durch einen Sachverständigen müssen bei einem Bagatellschaden nicht erstattet werden. Dies entschied das Amtsgericht Gummersbach am 14. April 2023 (AZ: 11 C 175/22), wie die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mitteilt. Das Gericht legte dabei eine Geringfügigkeitsgrenze bei 1.000 Euro fest und betonte, dass keine Zweifel an der Geringfügigkeit des Schadens nach Unfallhergang und Schadensbild bestehen dürfen. In dem Fall verlangte eine Sachverständige, die Gutachten nach Verkehrsunfällen erstellt, von der Beklagten die Erstattung von Kosten für ein solches Gutachten. Diese entstanden infolge eines Verkehrsunfalls, bei dem der Sachschaden unterhalb der festgelegten Bagatellgrenze lag. Es handelte sich um einen Schaden von nur 767,38 Euro netto. Das Gutachten enthält zum Schadensbild u.a. nachfolgende Ausführungen: „Leichter punktförmiger Anprall auf die Frontpartie mit Schwerpunkt Stoßfänger.“ Die Klägerin berief sich darauf, dass die Geschädigte den Umfang des Schadens selbst nicht hätte beurteilen können. Das Gericht wies jedoch darauf hin, dass der Auftrag eines Gutachtens bei Bagatellschäden im Rahmen der Schadensminderungspflicht nicht erforderlich und daher die Forderung unbegründet sei. Die Klägerin hätte erkennen können, dass es sich nur um einen Bagatellschaden gehandelt habe. Diese seien nach Verkehrsunfällen dann anzunehmen, wenn offensichtlich nur oberflächliche Schäden an einem Fahrzeug bei einem geringfügigen Unfall entstanden sind. Dies habe bereits nach Feststellung der Gutachterin vorgelegen. Geschädigte könnten bei geringfügigen Schäden eine Kostenschätzung einer Fachwerkstatt einholen. So könnten zusätzliche Kosten vermieden und die Schadensminderungspflicht erfüllt werden. Information: www.verkehrsrecht.de
Landesarbeitsgericht Kiel trifft Entscheidung gegen missbräuchliche Entschädigungsansprüche von "AGG-Hoppern"
Tipp des Monats August 2023 Kiel/Berlin (DAV). Sogenannte „AGG-Hopper“ bewerben sich mit der Absicht auf Stellen, um abgelehnt zu werden und dann Entschädigungsansprüche geltend zu machen. Solche Personen haben aber keinen Entschädigungsanspruch wegen vermeintlicher Diskriminierung. Die Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Kiel vom 21. Februar 2023 (AZ: 1 Sa 148/22). |
Kein Anspruch auf Balkonkraftwerk in der Wohnungseigentümergemeinschaft
Tipp des Monts Juni 2023
Konstanz/Berlin (DAV). Die erhöhten Energiekosten belasten zurzeit alle: Mieter, Vermieter aber auch Eigentümer. Jede Idee, diese Kosten zu senken und dabei auch noch Ressourcen zu schonen, ist gerne gesehen. Aber was kann der Eigentümer alleine entscheiden, wann braucht er die Zustimmung der anderen?
Mit diesen Fragen beschäftigt sich die Entscheidung des Amtsgericht Konstanz vom 09. Februar 2023 (AZ.: 4 C 425/22), auf die die Arbeitsgemeinschaft Mietrecht und Immobilien im Deutschen Anwaltverein (DAV) ausdrücklich Bezug nimmt.
Es wurde darüber gestritten, ob der Mieter des klagenden Eigentümers an der Außenseite des Balkons eine Photovoltaikanlage anbringen darf. Eine bereits von dem Mieter angebrachte Anlage wurde für die Dauer des Prozesses entfernt, es wurde dann zunächst in einer stattfindenden Versammlung von den Eigentümern die Genehmigung beantragt. Dieser Beschluss ist mehrheitlich abgelehnt wurden, gegen diesen negativen Beschluss wenden sich die Eigentümer, verbunden mit dem Antrag, die Gemeinschaft zur Zustimmung zu verpflichten, hilfsweise durch das Gericht einen solchen genehmigenden Beschluss zu ersetzen.
Mit diesem Klageantrag hatten die Kläger keinen Erfolg. Das Gericht war der Auffassung, dass die Eigentümer zur Recht die Zustimmung zu dem Balkonkraftwerk verweigert haben. Im Wesentlichen ging es um die Frage, ob dieses kleine Kraftwerk wegen seiner klimaschützenden Funktion auch als eine privilegierte bauliche Veränderung, wie die explizit benannten Wallboxen angesehen werden kann. In diesem Fall hätte der Eigentümer einen Anspruch auf Zustimmung. Das Gericht sah aber eine solche Privilegierung nicht, eine solche Solaranlage sei nicht ein Annex zu E-Mobilität. Aus der Gesetzesbegründung sei zu entnehmen, dass der Klimaschutz nur insoweit relevant war, als dass zur Förderung der E-Mobilität Autos zuhause aufgeladen werden können. Dem Gesetzgeber wäre es durchaus möglich gewesen, auch das zum Zeitpunkt der Reform im Jahr 2020 schon bekannte Ziel des Klimaschutzes weitergehend zu berücksichtigen. Dies ist aber gerade nicht erfolgt. Es sei daher der Maßstab einer „normalen“ baulichen Veränderung anzulegen, so dass eine Mehrheit der Eigentümer zustimmen muss. Dies bereits, da eine optische Beeinträchtigung gegeben ist, so wurde bereits in der Vergangenheit regelmäßig das Anbringen einer Markise oder das Überspannen des Balkongitters mit Stoff als Beeinträchtigung eingestuft. Diese Art der Beeinträchtigung sei auch durch die Anbringung des schwarzen Paneels, welches von außen klar erkennbar ist, erfüllt.
Ob alle Gerichte diese Auffassung teilen oder ob ggf. doch das zu verfolgende Ziel des Klimaschutzes ausschlaggebend sein wird, bleibt abzuwarten. Ebenso, ob der Gesetzesgeber nachbessern will.
Informationen: www.mietrecht.net
Verstoß gegen Rechtsfahrgebot – wann ist es rücksichtslos, wann fahrlässig?
Tipp des Monats Juli 2023
Zweibrücken/Berlin (DAV). Wer rücksichtslos das Rechtsfahrgebot missachtet, macht sich der fahrlässigen Straßenverkehrsgefährdung strafbar. Um „rücksichtslos“ zu sein, bedarf es eines überdurchschnittlichen Fehlverhaltens, welches von einer „besonders verwerflichen Gesinnung“ geprägt sein muss. Wer lediglich aus Unachtsamkeit nach sieben Wochen in einem Land mit Linksverkehr zurück in Deutschland gegen das Rechtsfahrgebot verstößt, handelt nicht rücksichtslos. Eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung scheidet dann aus. Die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 28. November 2022 (AZ: 1 OLG 2 Ss 34/22).
Nach einem siebenwöchigen Urlaub in Thailand – mit Linksverkehr – bog der Betroffene in Deutschland aus dem Grundstück kommend links ab und fuhr auf einer Strecke von zwei bis drei Kilometern über zwei Minuten auf der linken Spur der Landstraße. In einem Kurvenbereich kollidierte er frontal mit einem entgegenkommenden PKW. Der Fahrer und der Beifahrer des entgegenkommenden Fahrzeugs wurden verletzt.
Das Landgericht verurteilte den Betroffenen wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs und fahrlässiger Körperverletzung. Das Landgericht stellte fest, er habe rücksichtslos gehandelt, weil er nach dem siebenwöchigen Aufenthalt mit Linksverkehr unreflektiert wieder am Straßenverkehr in Deutschland teilgenommen habe. Das Oberlandesgericht änderte die Entscheidung auf Revision des Angeklagten dahin, dass er nur noch der fahrlässigen Körperverletzung schuldig ist. Entfallen ist die Strafe wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs. Dem Angeklagten könne kein rücksichtsloses Handeln vorgeworfen werden. Rücksichtslos fahre derjenige, der an unübersichtlichen Stellen nicht die rechte Seite der Fahrbahn einhält, etwa um ein schnelles, ungehindertes Vorwärtskommen zu möglichen. Auch wer gleichgültig fahre und sich nicht auf die Pflichten als Fahrer besinne, handele rücksichtslos. Gelegentliche Unaufmerksamkeit oder reine Gedankenlosigkeit genügten jedoch nicht. Auch müsse eine besonders verwerfliche Gesinnung erkennbar sein.
Nach diesen Maßstäben habe der Angeklagte nicht rücksichtslos gehandelt. Zwar habe er gegen das Rechtsfahrgebot verstoßen, er handelte aber nicht bewusst oder aus Gleichgültigkeit gegen über den anderen Verkehrsteilnehmern. Sein Verhalten speise sich allein aus Unachtsamkeit und nicht aus Gleichgültigkeit, so das Gericht. Daher scheide eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung aus.
GEMA-Gebühren wegen Musik beim Pizzalieferservice?
Tipp des Monats Mai 2023
Frankfurt/Berlin (DAA). Läuft in einem Verkaufsraum eines Lieferservices Musik, werden Urheberrechte nicht verletzt. Der Pizzabäcker muss keine Abgaben dafür zahlen. Auch nicht, wenn es Selbstabholer gibt, die in den Genuss der Musik kommen. Das Rechtsportal „anwaltauskunft.de" informiert über ein Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 09.12.2022 (AZ: 32 C 1565/22 (90)).
Die Klägerin nahm den Betreiber des Lieferservices wegen einer – vermeintlich – öffentlichen Wiedergabe auf Schadensersatz und somit widerrechtlicher Nutzung urheberrechtlich geschützter Musikwerke in Anspruch. Zuvor erfolgten drei Besuche eines Außendienstmitarbeiters der Klägerin in der vom Beklagten betriebenen Pizzeria. Dabei sei jeweils ein Fernseher mit angestelltem Ton gelaufen.
Die Klage hatte keinen Erfolg, das Amtsgericht wies die Klage ab. Es fehle für einen Anspruch auf Schadensersatz an einer „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne des Urheberrechtsgesetzes. Eine solche setze voraus, dass viele Personen beschallt werden, wenn auch nicht notwendig gleichzeitig. Auch dürfe es sich nicht bloß um einen abgegrenzten Kreis von untereinander persönlich verbundenen Personen handeln.
Schon daran fehle es in diesem Fall: Der Beklagte betreibt in erster Linie einen Lieferdienst, bei dem die Kunden telefonisch ordern und das Geschäft überwiegend nicht betreten. Die Anzahl der Selbstabholer beschränkt sich auf circa 10 Personen pro Tag. Die im Geschäft anwesenden Mitarbeiter und Familienangehörige des Beklagten stellten keine Öffentlichkeit dar, so das Gericht. Außerdem setze eine öffentliche Wiedergabe voraus, dass sich der Nutzer (hier der Beklagte) gezielt an das Publikum wendet. Das Publikum müsse außerdem für die Wiedergabe bereit sein und nicht bloß zufällig erreicht werden. Die Selbstabholer würden – vergleichbar den Wartenden in einer Zahnarztpraxis – ohne ihr Wollen und ohne Rücksicht auf ihre Aufnahmebereitschaft zwangsläufig von der Hintergrundmusik erreicht, während sie auf ihre Pizza warten.
Informationen und eine Anwaltssuche: www.anwaltauskunft.de
Elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung: Neuerung für Arbeitgeber und Arbeitnehmer
Was ist die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung?
Die AU-Bescheinigung wird in der Regel benötigt, wenn jemand aufgrund von Krankheit oder Verletzung nicht arbeiten kann und eine Entschuldigung benötigt, um seine oder ihre Abwesenheit vom Arbeitsplatz zu rechtfertigen. Anders als in vielen Ländern erhalten Erkrankte in Deutschland weiterhin ihren Lohn, wenn Sie den entsprechenden Nachweis erbringen. Das Dokument enthält in der Regel Angaben zum Datum der Feststellung, dem Beginn der Erkrankung und deren voraussichtlicher Dauer.
Welche Regelung galt bisher für den Nachweis der Arbeitsunfähigkeit?
In § 5 des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG) ist definiert, dass wenn „die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage (dauert), hat der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens an dem darauffolgenden Arbeitstag vorzulegen. Der Arbeitgeber ist berechtigt, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung früher zu verlangen.“
Bis Ende 2022 mussten Beschäftigte wie folgt vorgehen:
- Benachrichtigung des Arbeitgebers: Arbeitnehmer sollten den Arbeitgeber so schnell wie möglich über die Arbeitsunfähigkeit informieren. Die Benachrichtigung konnte mündlich oder schriftlich erfolgen, je nach den Vorgaben des Arbeitsvertrags.
- Arztbesuch: Der Arbeitnehmer sollte einen Arzt aufsuchen und eine ärztliche Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit erhalten. In Deutschland ist diese Bescheinigung auch als "gelber Schein" bekannt. Der Arzt oder die Ärztin wird den Zustand des Arbeitnehmers bewerten und die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit angeben.
- Weitergabe der AU-Bescheinigung: Der Arbeitnehmer sollte die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an den Arbeitgeber weiterleiten. Ebenso an die gesetzliche Krankenkasse, um Anspruch auf Krankengeld zu erhalten.
Was ist die eAU?
Die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) ist eine digitale Version der herkömmlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Sie soll dazu beitragen, den bürokratischen Aufwand bei der Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen zu reduzieren und die Kommunikation zwischen Patienten, Ärzten und Arbeitgebern zu erleichtern. Sie wird direkt elektronisch vom Arzt oder der Ärztin an die zuständige Krankenkasse übermittelt. Sie ist sicherer als die Papierbescheinigung, da sie mit einem elektronischen Schlüssel signiert wird und somit Fälschungen erschwert. Zudem kann der Arbeitgeber über eine spezielle Plattform online auf die eAU zugreifen, was die Abwicklung und Dokumentation vereinfacht.
Dadurch entfällt zum einen der Papierkram, zum anderen wird der Krankenkasse schneller und einfacher mitgeteilt, dass Patienten arbeitsunfähig sind. Damit können auch Krankengeldzahlungen schneller erfolgen. Für Arbeitgeber hat die eAU den Vorteil, dass sie die Bescheinigung schnell erhalten und somit zügig reagieren können. Die Informationen können darüber hinaus direkt in die elektronische Personalakte des Mitarbeiters eingefügt werden.
Neuerungen durch die elektronische AU für Arbeitgeber
Die Anzeigepflicht der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bleibt weiterhin bestehen, sie müssen Ihren Vorgesetzten den Arbeitsausfall mitteilen. Die Neuerung ist, dass Arbeitgeber ab dem 1.1.2023 keinen „gelben Schein“ mehr von gesetzlich versicherten Arbeitnehmern erhalten, sondern bei der gesetzlichen Krankenkasse ihrer Angestellten die eAU online abrufen können. Dazu Rechtsanwalt Alexander Greth, Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV): „Nach § 5 Abs. 1 a EFZG wird die „Nachweispflicht“ des gesetzlich versicherten Arbeitnehmers mittels Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ersetzt durch die Verpflichtung des Arbeitnehmers, die Arbeitsunfähigkeit beim Arzt feststellen zu lassen. Für privat versicherte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ändert sich nichts“
Die Erfassung der AU könnte dann wie folgt aussehen:
- Vorgesetzte tragen nach Meldung ihrer Angestellten die Fehlzeiten direkt in das Zeiterfassungssystem ein, im zweiten Schritt ruft die Entgeltabrechnung die eAU von der Krankenkasse ab.
- Vorgesetzte informieren die Entgeltabrechnung über die gemeldete Arbeitsunfähigkeit. Die Entgeltabrechnung ruft die eAU von der Krankenkasse ab und überträgt den Datensatz in das Zeiterfassungssystem des Unternehmens.
Der Abruf der Bescheinigung bei der Krankenkasse soll spätestens am Tag nach der ärztlichen Feststellung des Arbeitsausfalls möglich sein. Weiterführende Informationen für Arbeitgeber finden Sie hier. Unternehmen, die keine Entgeltabrechnungssoftware benutzen, können mit sv.net Meldungen zur Sozialversicherung verschlüsselt übermitteln. Informationen finden Sie unter diesem Link.
Was können Arbeitgeber tun, wenn keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorliegt?
Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber müssen es auch weiterhin nicht hinnehmen, wenn Beschäftigte ihre Arbeitsunfähigkeit pflichtwidrig nicht feststellen lassen:
„Der Arbeitgeber ist nicht schutzlos. Es ist zu empfehlen, das Arbeitsentgelt für Tage, an denen Beschäftigte ihre Arbeitsunfähigkeit pflichtwidrig nicht feststellen lassen, nicht zu zahlen. Das Leistungsverweigerungsrecht ergibt sich aus der analogen Anwendung von § 7 Abs. 1 EZFG. In vielen Fällen wird der Arbeitgeber aber gar nicht wissen, ob Beschäftigte die Feststellung pflichtwidrig unterlassen haben oder aus anderen Gründen, beispielsweise technischen Problemen beim Arzt oder der Krankenkasse, die Übermittlung der Information an die Krankenkasse fehlgeschlagen ist. Der Arbeitgeber sollte dann das klärende Gespräch mit dem Arbeitnehmer suchen und diesen notfalls bitten, ihm die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in Papierform, bzw. ein Foto davon, zukommen zu lassen. Kommt der Arbeitnehmer dem nicht nach, kann der Arbeitgeber die Zahlung zunächst verweigern. Erhält er dann später von der Krankenkasse die entsprechenden Daten, muss das Arbeitsentgelt selbstverständlich nachgezahlt werden“, so Rechtsanwalt Greth.
Für privat versicherte Arbeitnehmer ändert sich nichts: „Bei Arbeitnehmern, die kein Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung sind, verbleibt es indes bei der unmittelbaren Anwendung des gesetzlich geregelten Leistungsverweigerungsrechts nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG, wenn diese die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht rechtzeitig übermitteln.“
In Fragen rund um das Thema Angestellte unterstützen Sie Anwältinnen und Anwälte mit Schwerpunkt Arbeitsrecht in Ihrer Nähe – zu finden unter anwaltauskunft.de.
Persönlichkeitsverletzung: Umfangreiche Monitoringpflicht für Twitter
Tipp des Monats März 2023
Frankfurt/Berlin (DAA). Betroffene können von Twitter verlangen, dass falsche oder ehrverletzende Tweets gelöscht werden. Auch sinngemäße Kommentare mit identischem Äußerungskern muss Twitter entfernen, sobald es von der konkreten Persönlichkeitsrechtsverletzung Kenntnis erlangte. Zwar muss Twitter nicht permanent alle Nutzer überwachen, aber die Prüfpflicht besteht hinsichtlich der konkret beanstandeten Äußerungen. Das Rechtsportal „anwaltauskunft.de“ informiert über ein Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 14. Dezember 2022 (AZ: 2-03 O 325/22).
Im September 2022 erschienen auf Twitter diverse Kommentare. Darin wurde wahrheitswidrig behauptet, der Antisemitismusbeauftragte des Landes Baden-Württemberg habe „eine Nähe zur Pädophilie“ und er habe „einen Seitensprung gemacht“. Außerdem wurde über ihn verbreitet, er sei in „antisemitische Skandale“ verstrickt und er sei „Teil eines antisemitischen Packs“.
Das Landgericht stellte in einem Eilverfahren fest, dass diese Behauptungen unwahr und ehrenrührig sind. Twitter sei verpflichtet, die Verbreitung der Kommentare unverzüglich zu unterlassen, nachdem der Antisemitismusbeauftragte die Entfernung dieser Kommentare verlangte. Die Löschpflicht von Twitter wurde vom Landgericht aber noch weiter gefasst: Das Unterlassungsgebot greife nicht nur dann, wenn eine Äußerung wortgleich wiederholt wird, sondern auch, „wenn die darin enthaltenen Mitteilungen sinngemäß erneut veröffentlicht werden.“ Allerdings würden die Äußerungen nicht in jeglichem Kontext untersagt. „Betroffen sind nur solche Kommentare, die als gleichwertig anzusehen sind und die trotz gewisser Abweichungen einen identischen Äußerungskern aufweisen.“
Damit bürdete das Gericht Twitter aber keine allgemeine Monitoring-Pflicht im Hinblick auf seine rund 237 Millionen Nutzer auf. Eine Prüfpflicht bestehe laut Gericht nur hinsichtlich der konkret beanstandeten Persönlichkeitsrechtsverletzung. Wenn Twitter Rechtsverletzungen gemeldet würden, müsse Twitter prüfen, ob diese Rechtsverletzung eine Löschung bedingt oder nicht.
Informationen und eine Anwaltssuche: www.anwaltauskunft.de
61. Deutscher Verkehrsgerichtstag 25. bis 27. Januar 2023 in Goslar Arbeitskreis I: Fahrzeugdaten Vernetzte Fahrzeuge – Gefahr des gläsernen Autofahrers
Tipp des Monats Februar 2023
Goslar/Berlin (DAV). Moderne Fahrzeuge sind vernetzte Fahrzeuge. Es wird eine Vielzahl von Daten gesammelt. Die Datensammlung geht so weit, dass sogar Daten darüber gesammelt werden, welche Radiosender wann und wie lange oder welche Musik-CDs gehört werden. Auch wird erfasst, wann und wie lange welche Telefongespräche geführt wurden. Daraus lassen sich ganze Nutzungsprofile über den Fahrer erstellen. Die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) sieht die Gefahr, dass Nutzungs- und Mobilitätsprofile der Fahrer:innen gläsern werden. Die Hoheit der gesammelten Daten solle beim Fahrzeugeigentümer sein.
„Das Sammeln von Daten in modernen Fahrzeugen geschieht uferlos. Es werden ganze Nutzungsprofile erstellt, denn auch Daten über Nutzer und deren Fahrstil und Fahrziel werden gesammelt. Der Fahrer bzw. der Eigentümer des PKW sollte gesetzlich abgesichert werden und volle Datentransparenz erhalten. Des Weiteren fordern wir, dass die Fahrer bzw. Eigentümer die volle Hoheit über die gesammelten Daten haben“, erläutert Rechtanwalt Andreas Krämer, von der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des DAV. Dazu gehöre auch die Freiheit zu entscheiden, an wen diese Daten zu welchen Zwecken weitergegeben werden dürfen.
„Auf all diese Datenerfassung und Weitergabe haben Fahrer bzw. Fahrzeugbesitzer keinen Einfluss“, warnt der Rechtsanwalt aus Frankfurt am Main. Zudem würden die Daten nicht an freie Werkstätten im Rahmen des Diagnosezugangs zur Verfügung gestellt, was eine Reparatur erheblich einschränkt.
Zuletzt gelangen auch bei schweren Unfällen die Daten in die Hände der Ermittlungsbehörden, die auf diese Weise auch zu Informationen gelangen, die nichts mit dem Unfallgeschehen zu tun haben. Durch die Möglichkeit der Akteneinsicht erlangen dann unzählige Beteiligte, wie etwa Versicherungen, Krankenkasse oder andere Unfallbeteiligte, ebenfalls von diesen Daten Kenntnis. „Wir müssen daher die Hoheit über diese riesigen Datenmengen den Betroffenen zurückgeben“, fordert Krämer.
Tipp des Monats Januar 2023
Home-Office: Rechtliches und Neuerungen ab 2023
Homeoffice versus mobiles Arbeiten: Was ist der Unterschied?
Wichtig ist zunächst: Man muss zwischen Homeoffice und mobilem Arbeiten unterscheiden. „Bei einem echten Homeoffice richtet der Arbeitgeber das Büro zuhause mit ein“, erklärt Rechtanwältin Dr. Doris-Maria Schuster vom Geschäftsführenden Ausschuss der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV). Wenn Beschäftigte ihren Laptop mit nachhause nehmen oder vorübergehend vom heimischen Computer aus arbeiten, gelte das als mobiles Arbeiten.
Haben Arbeitnehmer einen Anspruch auf Homeoffice?
„Einen Anspruch auf Homeoffice hat ein Arbeitnehmer nicht“, erklärt der Rechtsanwalt Michael Eckert von der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im DAV. Solange sie nicht offiziell unter Quarantäne stehen, müssen Beschäftigte am Arbeitsplatz erscheinen. Ob dieser Arbeitsplatz das Büro sein muss, hängt davon ab, was mit dem Chef ausgemacht ist.
Grundsätzlich gilt: Wer seine Aufgaben lieber zu Hause statt im Unternehmen erledigen möchte, muss er das mit seinem Chef aushandeln. Stimmt der Chef dem Homeoffice zu, sollten der Arbeitnehmer und sein Arbeitgeber alle wichtigen Fragen entweder im Arbeitsvertrag oder in einer Homeoffice-Vereinbarung regeln. Dabei legen die beiden Parteien zum Beispiel fest, welche Aufgaben der Mitarbeiter zu Hause erledigt, in welchem Stundenumfang er dies tut oder wann sie oder er in die Firma kommen muss, um etwa an Meetings teilzunehmen.
Bei einer Quarantäne, die vom Gesundheitsamt angeordnet ist, ist das natürlich etwas anderes. Beschäftigte müssen dann nur arbeiten, wenn es von zuhause aus möglich ist und sie ihre Arbeitsmaterialien dabei haben. Wer krank ist, muss sich krank melden und braucht dann selbstverständlich nicht zu arbeiten.
Pandemie-Zeiten: Kann der Arbeitgeber seine Mitarbeiter zum mobilen Arbeiten zwingen?
In der Regel ist das nicht so einfach möglich – der Arbeitgeber muss sich auch daran halten, ob Heimarbeit vereinbart ist. In Pandemie-Zeiten kann das aber anders sein. Rechtsanwältin Schuster: „Der Arbeitgeber kann anordnen, dass Mitarbeiter von zuhause aus arbeiten.“ Das gelte aber nur, wenn die Beschäftigten problemlos am heimischen Schreibtisch tätig werden können. Heimarbeit anzuordnen kann beispielsweise sinnvoll sein, wenn ein Mitarbeiter von einer Reise in ein Risikogebiet zurückkommt, aber nicht krank ist. Um die Kollegen zu schützen kann der Arbeitgeber anordnen, dass der Mitarbeiter vorübergehend von zuhause aus arbeitet.
Dass ein Arbeitgeber in „gesunden Zeiten“ seinen Mitarbeitern nicht einfach an den Heimschreibtisch schicken kann, zeigt eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg aus dem Herbst 2018 entscheiden: Dort hatte ein Mann geklagt, der bei seinem Arbeitgeber als Ingenieur beschäftigt war. Regelungen zu einer Änderung des Arbeitsortes enthielt sein Arbeitsvertrag nicht. Nachdem ein Betrieb des Unternehmens geschlossen wurde, bot der Arbeitgeber dem Ingenieur an, seine Arbeit in Zukunft von Zuhause aus zu erledigen. Der Mann war dazu aber nicht bereit. Daraufhin kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos und begründete dies mit beharrlicher Arbeitsverweigerung.
Das Gericht urteilte: Die Kündigung ist unwirksam. Der Ingenieur sei arbeitsvertraglich nicht dazu verpflichtet, die ihm angebotene Heimarbeit auszuführen. Die Umstände im Homeoffice unterscheiden sich erheblich von denen in der Betriebsstätte, so das LAG. Auch wenn viele Arbeitnehmer am Arbeiten im Homeoffice interessiert seien, bedeute das nicht, dass Arbeitgeber dies auch anordnen dürfen (Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Az. 17 Sa 562/18).
Beteiligt sich Chef an Kosten des Homeoffice?
Wenn Arbeitnehmer und Arbeitgeber die Homeoffice-Situation festlegen, regeln sie auch, ob der Mitarbeiter zum Beispiel seinen eigenen Schreibtisch und Rechner für die Heimarbeit nutzt oder die Ausstattung von der Firma gestellt bekommt. Darüber hinaus sollten die Parteien vereinbaren, in welcher Höhe sich der Chef an den Kosten für das heimische Büro beteiligt, zum Beispiel an den Mietkosten. „Meistens zahlt der Chef dem Arbeitnehmer eine monatliche Pauschale, die alle Kosten abdeckt“, sagt der Arbeitsrechtsexperte Michael Eckert. „Dabei handelt es sich in der Regel um einen Auslagenersatz.“
Improvisiertes Homeoffice: Muss der Chef für Strom und Laptop zahlen?
Mit Ausbruch der Pandemie blieb vielfach keine Zeit für Regelungen. Viele Beschäftigte arbeiten zuhause an ihrem privaten Computer und telefonieren mit ihrem eigenen Smartphone. „Arbeitnehmer haben Anspruch auf Ersatz derjenigen Aufwendungen, die sie im Interesse des Arbeitgebers erbracht haben“, erklärt Rechtsanwältin Dr. Nathalie Oberthür vom Geschäftsführenden Ausschuss der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht. Darunter fielen etwa Stromkosten und Arbeitsmaterial.
Dabei ist entscheidend, dass Arbeitnehmer die höheren Kosten belegen können. Ein gesteigerter Stromverbrauch wird sich vermutlich leichter nachweisen lassen als etwa ein erhöhter Verschleiß von Geräten. „Der Arbeitgeber muss hingegen nicht für Kosten aufkommen, die den Arbeitnehmern ohnehin entstanden wären, etwa für eine WLAN-Flatrate“, fügt Rechtsanwältin Oberthür hinzu.
Homeoffice: Ist ein Unfall beim Arbeiten zuhause ein Arbeitsunfall?
Wer sich im Homeoffice vor einer Ansteckung mit dem Virus schützen möchte, ist vor einem Unfall natürlich nicht gefeit. Wenn man am Arbeitsplatz, auf dem Weg dorthin oder von dort nachhause verunglückt, gilt das als Arbeits- oder Wegeunfall. Dann springt die Berufsgenossenschaft ein.
„Ein Unfall im Homeoffice oder während des mobilen Arbeitens gilt in der Regel auch als Arbeitsunfall, wenn er bei der Erledigung der geschuldeten Arbeit passiert“, sagt Rechtsanwältin Schuster. Od das im Einzelfall so ist, darüber entscheiden die Gerichte. So wie das Bundessozialgericht im Juli 2016: Eine Frau, die im Homeoffice arbeitete, wollte sich Wasser holen und stürzte unterwegs auf der Treppe. Den Richtern nach handelte es sich hierbei nicht um einen Arbeitsunfall (Urteil vom 5. Juli 2016, AZ: B 2 U 5/15 R), wie die Nahrungsaufnahme nicht zur vertraglich geschuldeten Arbeit gehörte.
Ein echtes Homeoffice muss der Arbeitgeber zwar mit einrichten und dabei auch auf Arbeitssicherheit achten. Wie das Büro letztlich aussieht, darf er aber nicht kontrollieren. Schließlich dürfen eine Chefin oder ein Chef die Wohnungen ihrer Mitarbeiter nicht ohne weiteres betreten. „Zu Hause hat der Arbeitgeber überhaupt keine Einflussmöglichkeit. Deshalb muss der Arbeitnehmer zum Beispiel selbst dafür sorgen, seinen Monitor so aufzustellen, dass die Sonne ihn nicht anstrahlt und den Augen schadet“, erklärt Eckert.
Wie muss ich meine Arbeitszeit erfassen, wenn ich von zuhause aus arbeite?
Im Homeoffice gelten die gleichen Arbeitszeiten wie im Büro. Die Arbeitszeit muss auch erfasst werden, soweit das möglich ist. Technische Möglichkeiten sind dazu aber nicht immer vorhanden. „In solchen Fällen kann der Arbeitgeber zum Beispiel sagen: Melden Sie sich, wenn Sie am Schreibtisch sitzen“, erklärt Rechtsanwältin Schuster.
Ist es nicht möglich, die Arbeitszeit im Homeoffice zu erfassen, muss der Arbeitgeber seinen Angestellten schlicht vertrauen.
Der Mitarbeiter wiederum muss darauf achten, seine Arbeit in der besprochenen Zeit zu schaffen. „Er ist dafür verantwortlich, das Arbeitszeitgesetz einzuhalten“, betont Rechtsanwalt Eckert. Deshalb muss ein Arbeitnehmer, der gern in Heimarbeit tätig sein will, auch über besondere Fähigkeiten verfügen. Eine gute Selbstorganisation gehört unbedingt dazu.
Welche Neuerungen kommen 2023?
Home-Office ist beliebt, erspart Strapazen im morgendlichen Berufsverkehr und schont die Umwelt. Die Bundesregierung berücksichtigt dies und hat gute Nachrichten für alle Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, die gerne von zu Hause arbeiten. Ab Januar können bis zu 1.260€ der so genannten Home-Office Pauschale in der Einkommensteuererklärung geltend gemacht werden. Die neue Regelung begünstigt somit 210 Home-Office Tage mit einem täglichen Betrag von 6€, die von der Steuer abgesetzt werden können.
Bisher lag die Begrenzung bei 600€ und maximal 120 anrechenbaren Home-Office Tagen, also 5€ pro Tag.Die steuerliche Entlastung gilt ausdrücklich auch dann, wenn kein separates Arbeitszimmer zur Verfügung steht. Gerade Familien mit kleinen Wohnungen sollen die Änderungen der Home-Office Pauschale zugute kommen.
Tipp des Monats Dezember 2022
Cottbus/Berlin (DAV). Wer Drogen konsumiert, riskiert seinen Führerschein und erweist sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen. Das ist unabhängig davon, ob die Drogen im Umfeld einer Fahrt genommen wurden oder nicht. Ein Hinweis auf den Drogenkonsum kann auch anonymisiert erfolgen. Dies musste ein Betroffener erfahren, dessen Drogengutachten anonym der Polizei zugespielt wurde. Die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Cottbus 28. April 2022 (AZ: VG 7 L 82/22). Ein Beweisverwertungsverbot gibt es nur im Strafrecht, nicht im hier geltenden Gefahrenabwehrrecht.
Drogenkonsum: Entziehung der Fahrerlaubnis nach anonymer Anzeige
Der Polizei wurde anonym ein Drogengutachten über den Mann zugespielt, das in einem familienrechtlichen Verfahren durchgeführt worden war. Ihm wurde damit der Konsum von Kokain und Amphetamin nachgewiesen. Daraufhin entzog die Straßenverkehrsbehörde dem Mann die Fahrerlaubnis. Dagegen wehrte sich der Mann mit seinem Antrag. Er machte hinsichtlich des Gutachtens ein Beweisverwertungsverbot geltend. Außerdem habe er vor drei Monaten ein Entzugsprogramm durchgeführt und befinde sich in Behandlung, so dass ein weiterer Drogenkonsum nicht zu erwarten sei.
Der Mann scheiterte mit seinem Antrag beim Verwaltungsgericht. Es bestehe kein Beweisverwertungsverbot. Das Gutachten dürfe Grundlage des Führerscheinentzugs sein. Es müsse zwischen strafrechtlichen und gefahrenabwehrrechtlichen Maßnahmen unterschieden werden. Die Entziehung der Fahrerlaubnis diene dem Schutz unbeteiligter Verkehrsteilnehmer vor Gefahren, die von ungeeigneten Kraftfahrern ausgingen. Dieses Schutzinteresse überwiege gegenüber dem Interesse des Antragstellers, dass das Gutachten außerhalb des familienrechtlichen Verfahrens keine Folgen habe. Außerdem habe der Staat Schutzpflichten aus denen es nicht hinnehmbar wäre, wenn trotz Kenntnis von der Ungeeignetheit eines Fahrerlaubnisinhabers nicht eingeschritten werden würde.
Auch die begonnene Entzugstherapie ändere daran nichts. Eine Entwöhnung und Entgiftung sei erst nach einer einjährigen Abstinenzphase anzunehmen. Daher habe der Antragsteller seine Fahreignung noch nicht wiedererlangt.
90.000 € Schmerzensgeld nach Unfall mit unsicherem Mietwagen
Tipp des Monats März
Frankfurt/Berlin (DAV). Wenn ein Mietwagen defekt ist und die Autovermietung durch die Allgemeine Geschäftsbedingungen ihre Haftung ausschließen will, können erhebliche Schmerzensgelder und Schadensersatz fällig werden. Es gehört zu den Kardinalpflichten, dass die Autos, insbesondere Lenkung und Bremsen, funktionstüchtig sind. Die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 30. Dezember 2021 (AZ: 2 U 28/21). Dabei wurde ein Mietwagenunternehmen u.a. zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 90.000 Euro verurteilt. Der Mietwagen war nicht verkehrssicher gewesen und die Mieterin erlitt schwerste Verletzungen bei einem Verkehrsunfall.
Als gewerbliche Stammkundin mietete die Klägerin für eine Woche ein Fahrzeug. Laut den Mietvertragsbedingungen haftete der Autovermieter nur bei grobem Verschulden oder fahrlässigen Pflichtverletzungen.
Auf dem Hinweg nach Berlin informierte die Klägerin die Beklagte, dass sie Probleme habe, in den zweiten Gang zu schalten. Auf der Rückfahrt nach Frankfurt geriet das Fahrzeug plötzlich ins Schleudern. Zu dem Zeitpunkt versuchte die Klägerin die geöffnete Seitenscheibe hochzukurbeln und hatte hierzu ihre linke Hand vom Steuer genommen. Gegenlenken war nicht möglich. Das Fahrzeug schleuderte weiter, schaukelte sich auf, kippte nach links und rutschte über die linke Seite über den Fahrbahnrand hinaus in eine Grünfläche. Beim Umkippen des Mietfahrzeugs geriet der linke Arm der Klägerin durch das Fenster und wurde abgetrennt. Die Klägerin erlitt durch den Unfall schwerste Verletzungen. Eine Replantation des Armes war nicht möglich.
Mit ihrer Klage verlangt die Frau 120.000 Euro Schmerzensgeld, eine Schmerzensgeldrente und die Feststellung der Einstandspflicht für zukünftige Schäden wegen des Verkehrsunfalls. Das Landgericht hatte die Klage noch abgewiesen. Dank anwaltlicher Hilfe war die Frau erfolgreich. Die Klägerin könne Schadensersatz verlangen, da das gemietete Fahrzeug mangelhaft gewesen sei. Im Kardangelenk der unteren Lenksäule sei ein Lager bereits bei der Fertigung nicht richtig verbaut worden. Gemäß den Ausführungen des Sachverständigen sei damit das Fahrzeug von Anfang an „prinzipiell nicht verkehrssicher“ gewesen. Das Kreuzgelenk habe sich während der gesamten Laufleistung aus der Lageraufnahme herausgearbeitet und sei dann plötzlich während der Fahrt der Klägerin herausgesprungen.
Der Autovermieter könne sich hier nicht auf den vereinbarten Haftungsausschluss für unverschuldete Schäden berufen. Kraft Gesetzes hafte der Vermieter auch für unverschuldete Mängel der Mietsache, soweit sie bereits bei Vertragsschluss bestanden. Diese verschuldensunabhängige Garantiehaftung könne zwar grundsätzlich durch Allgemeine Geschäftsbedingungen ausgeschlossen werden. Nicht möglich sei dies aber bei Verletzung einer sogenannten Kardinalpflicht. Dies sind ganz wesentliche Pflichten eines Vermieters. Dazu gehöre es, ein verkehrssicheres Fahrzeug zu vermieten, bei dem insbesondere Lenkung und Bremsen funktionsfähig seien. Ein Mieter müsse sich darauf verlassen können, dass das ihm anvertraute Fahrzeug verkehrstüchtig und frei von solchen Mängeln, die eine erhebliche Gefahr für ihn begründen könnten.
Der Klägerin stehe unter Berücksichtigung der hier vorliegenden prägenden Einzelfallumstände ein Schmerzensgeld von 90.000 € sowie eine monatliche Schmerzensgeldrente von 160,00 € zu.
Information: www.verkehrsrecht.de
Beschädigung des Autos in einer Waschanlage – haftet der Betreiber?
Tipp des Monats Januar 2022
Frankenthal/Berlin (DAV). Der Betreiber einer Waschanlage haftet grundsätzlich, wenn ein Fahrzeug beschädigt wird. Gelingt es ihm aber nachzuweisen, dass die Beschädigung für ihn trotz größtmöglicher, „pflichtgemäßer“ Sorgfalt nicht zu vermeiden war, so haftet er ausnahmsweise nicht. Der Halter bleibt dann auf seinem Schaden sitzen. So entschied das Landgericht Frankenthal am 27. Oktober 2021 (AZ: 4 O 50/21), wie die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mitteilt.
Ein Mann wollte seinen SUV in einer Waschanlage reinigen lassen. Kurz vor der ersten Waschrolle wurde das auf dem Förderband laufende Fahrzeug linksseitig leicht angehoben. Die Waschanlage wurde gestoppt. Auch ein zweiter Versuch scheiterte. Daraufhin wurde der Waschvorgang endgültig abgebrochen. Vorn rechts war das Auto beschädigt. Diesen Schaden wollte der Autohalter vom Betreiber der Waschanlage ersetzt bekommen.
Jedoch ohne Erfolg. Das Gericht wies zwar darauf hin, dass ein Waschanlagenbetreiber zwar grundsätzlich für Schäden haftet, die durch die Autowäsche entstanden sind. Insofern bestünde eine gesetzliche Vermutung gegen den Betreiber der Waschanlage. Dies gelte aber dann nicht, wenn der Kunde sich in der Anlage falsch verhalten habe oder das Fahrzeug defekt gewesen sei. Der Betreiber müsse also nachweisen, dass der Fehler nicht auf seinen Organisations- und Verantwortungsbereich zurückzuführen sei.
In diesem Fall konnte sich der Betreiber entlasten. Er überzeugte das Gericht, dass der Schaden am Fahrzeug trotz seiner pflichtgemäß ausgeübten Sorgfalt nicht zu vermeiden war. Er ließ die Waschanlage halbjährlich warten und unterzog sie täglich einer Sichtprüfung mit Testwäsche. Dabei laufe ein Mitarbeiter mit und beobachte den Vorgang, so der Betreiber. Defekte seien dabei nicht festgestellt worden, auch nicht unmittelbar im Anschluss an dem Schadensfall. Der Betrieb sei dann auch ohne weitere Vorkommnisse fortgesetzt worden.
Information: www.verkehrsrecht.de
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