Berlin (DAV). Ob Lockdown, Lockdown light oder Bewegungsfreiheit – das private Leben geht weiter. Kommt es hier zu Konflikten, landen diese meist bei Anwältinnen und Anwälten für Familienrecht. Ein höheres Mandatsaufkommen verzeichnete während der ersten Pandemiewelle allerdings nur jeder zehnte Familienrechtler. Die Kommunikation mit Mandanten lief oft telefonisch, für digitale Kommunikation sind die meisten Kanzleien aber auch gut ausgestattet. Für Gerichte und Jugendämter galt das nicht. Das geht aus einer Umfrage der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) hervor. Die Antworten räumen auch mit einem hartnäckigen Pandemiegerücht auf. Knapp die Hälfte der Anwältinnen und Anwälte berichten, dass das Mandatsaufkommen im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie weitgehend gleich geblieben ist. Bei den Anwältinnen und Anwälten, die eine Zunahme der Mandate verzeichneten, bezogen dies knapp 70 Prozent auf Kindschaftssachen, also Sorgerechts- und Umgangsverfahren, rund 24 Prozent auf Gewaltschutzverfahren und 35 Prozent auf Unterhaltsverfahren. Die Umfrage räumt somit mit dem Gerücht auf, dass während der Corona-Krise die Zahl der Scheidungsberatungen zugenommen hätte. Die Antworten deuten vielmehr auf Stagnation – oder gar Rückgang. Rechtsanwältin Eva Becker, Vorsitzende des Geschäftsführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht im DAV, mutmaßt dahinter auch wirtschaftliche Gründe: So würden getrennte Paare vielleicht eher als WG weitermachen, bevor sie in dieser unsicheren Situation zum Anwalt gingen. Pandemie schränkt Arbeitsalltag ein Mehr als 80 Prozent der Familienrechtlerinnen und -rechtler verzeichneten der Umfrage zufolge mehr oder weniger starke Einschränkungen in der Bearbeitung ihrer Mandate. Neben Besprechungsabsagen oder dem Ausfall von Mitarbeitenden lag das auch an der Betreuung der eigenen Kinder. Gerade in den ersten Wochen der Krise war die Anwaltschaft nur in wenigen Bundesländern als systemrelevant anerkannt – damit war der Zugang zur Notbetreuung der Kinder verwehrt. Nach hartnäckigem Engagement des DAV wurde die Anwaltschaft in 13 Bundesländern als systemrelevant eingestuft. Mehr als 97 Prozent der Anwältinnen und Anwälte berichten, dass die Amtsgerichte weniger Familiensachen terminierten: Mehr als die Hälfte der Befragten spricht von einem kompletten Prozess-Stillstand von Mitte März bis Ende Mai. Die ausgefallenen Termine wurden in der Zwischenzeit jedoch fast vollständig nachgeholt. Digitalisierung: Kanzleien top, Gerichte und Jugendämter mit Verbesserungspotenzial Die Kommunikation mit den Mandanten lief während der ersten Pandemiewelle vor allem telefonisch (65 Prozent) oder in persönlichen Besprechungen (22 Prozent). Auf elektronischem Weg sprachen nur rund 12 Prozent mit ihrer Mandantschaft. „Im Familienrecht geht um hochemotionale Fragestellungen – viele Mandanten dürften sich wohler fühlen, wenn sie persönlich oder am Telefon darüber sprechen als an einem Bildschirm“, sagt Rechtsanwältin Becker. Anders als Unternehmen verfügten auch nicht alle Privatpersonen über die technische Ausstattung für eine Videokonferenz. „Die technischen Voraussetzungen dafür hat die überwiegende Zahl der Kanzleien aber geschaffen – und das schon in der ersten Welle“, fügt die Vorsitzende hinzu. Der Umfrage nach sagen 97 Prozent der Anwältinnen und Anwälte, dass ihre Kanzlei für den elektronischen Datenaustausch ausreichend ausgestattet war und ist. Für die Gerichte und Jugendämter lässt sich das nicht sagen: Soweit familiengerichtliche Verfahren in der ersten Welle stattfanden, passierte dies in nicht einmal einem Prozent der Fälle als Video- oder Telefonkonferenz. „Bei den Gerichtsverfahren per Videokonferenz bescheinigt die Umfrage den Gerichten durchaus noch Nachholdbedarf“, bestätigt Rechtsanwältin Becker. Sie gibt aber zu bedenken, dass die Antworten sich auf das Frühjahr bezogen. Vielfach sei nachjustiert wurden. „Die Pandemie hat auch die Digitalisierung in der Justiz nach vorne katapultiert." Sowohl die Digitalisierung der Verfahren als auch die Erreichbarkeit dürften sich künftig verbessern. Die elektronische Erreichbarkeit der Gerichte bewertet nur jede Dritte als gut. Mehr als 40 Prozent halten sie für weniger gut. Die Jugendämter und Beratungsstellen schneiden noch schlechter ab: 63 Prozent der Anwältinnen und Anwälte bewerten sie als weniger gut. Die repräsentative Umfrage wurde im Oktober 2020 unter der größten Vereinigung von Anwältinnen und Anwälten für Familienrecht Deutschlands durchgeführt. Sie bezog sich auf den Zeitraum von Mitte März bis Ende Mai 2020.
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