Elektro­nische Arbeits­un­fä­hig­keits­be­schei­nigung: Neuerung für Arbeitgeber und Arbeit­nehmer

Tipp des Monats April 2023

Kleine Schritte auf dem Weg zur Digita­li­sierung – Seit Anfang des Jahres ersetzt die elektro­nische Arbeits­un­fä­hig­keits­be­schei­nigung (eAU) die bisherige Praxis von Arbeit­neh­me­rinnen und Arbeit­nehmern: Sie müssen die AU nichtmehr an die gesetzliche Krankenkasse und Vorgesetzten weiter­leiten. Welche Neuerungen das für Arbeitgeber bedeutet, wird im Folgenden erläutert.

 


Was ist die Arbeits­un­fä­hig­keits­be­schei­nigung?

Die AU-Beschei­nigung wird in der Regel benötigt, wenn jemand aufgrund von Krankheit oder Verletzung nicht arbeiten kann und eine Entschul­digung benötigt, um seine oder ihre Abwesenheit vom Arbeitsplatz zu rechtfertigen. Anders als in vielen Ländern erhalten Erkrankte in Deutschland weiterhin ihren Lohn, wenn Sie den entspre­chenden Nachweis erbringen. Das Dokument enthält in der Regel Angaben zum Datum der Feststellung, dem Beginn der Erkrankung und deren voraus­sicht­licher Dauer.

Welche Regelung galt bisher für den Nachweis der Arbeits­un­fä­higkeit?

In § 5 des Entgelt­fort­zah­lungs­ge­setzes (EFZG) ist definiert, dass wenn „die Arbeits­un­fä­higkeit länger als drei Kalendertage (dauert), hat der Arbeit­nehmer eine ärztliche Beschei­nigung über das Bestehen der Arbeits­un­fä­higkeit sowie deren voraus­sichtliche Dauer spätestens an dem darauf­fol­genden Arbeitstag vorzulegen. Der Arbeitgeber ist berechtigt, die Vorlage der ärztlichen Beschei­nigung früher zu verlangen.

Bis Ende 2022 mussten Beschäftigte wie folgt vorgehen:

  1. Benachrichtigung des Arbeitgebers: Arbeitnehmer sollten den Arbeitgeber so schnell wie möglich über die Arbeitsunfähigkeit informieren. Die Benachrichtigung konnte mündlich oder schriftlich erfolgen, je nach den Vorgaben des Arbeitsvertrags.
  2. Arztbesuch: Der Arbeitnehmer sollte einen Arzt aufsuchen und eine ärztliche Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit erhalten. In Deutschland ist diese Bescheinigung auch als "gelber Schein" bekannt. Der Arzt oder die Ärztin wird den Zustand des Arbeitnehmers bewerten und die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit angeben.
  3. Weitergabe der AU-Bescheinigung: Der Arbeitnehmer sollte die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an den Arbeitgeber weiterleiten. Ebenso an die gesetzliche Krankenkasse, um Anspruch auf Krankengeld zu erhalten.

Was ist die eAU?

Die elektro­nische Arbeits­un­fä­hig­keits­be­schei­nigung (eAU) ist eine digitale Version der herkömm­lichen Arbeits­un­fä­hig­keits­be­schei­nigung. Sie soll dazu beitragen, den bürokra­tischen Aufwand bei der Vorlage von Arbeits­un­fä­hig­keits­be­schei­ni­gungen zu reduzieren und die Kommuni­kation zwischen Patienten, Ärzten und Arbeit­gebern zu erleichtern. Sie wird direkt elektronisch vom Arzt oder der Ärztin an die zuständige Krankenkasse übermittelt. Sie ist sicherer als die Papier­be­schei­nigung, da sie mit einem elektro­nischen Schlüssel signiert wird und somit Fälschungen erschwert. Zudem kann der Arbeitgeber über eine spezielle Plattform online auf die eAU zugreifen, was die Abwicklung und Dokumen­tation vereinfacht.

Dadurch entfällt zum einen der Papierkram, zum anderen wird der Krankenkasse schneller und einfacher mitgeteilt, dass Patienten arbeits­unfähig sind. Damit können auch Kranken­geld­zah­lungen schneller erfolgen. Für Arbeitgeber hat die eAU den Vorteil, dass sie die Beschei­nigung schnell erhalten und somit zügig reagieren können. Die Informa­tionen können darüber hinaus direkt in die elektro­nische Personalakte des Mitarbeiters eingefügt werden.

Neuerungen durch die elektro­nische AU für Arbeitgeber

Die Anzeige­pflicht der Arbeit­neh­me­rinnen und Arbeit­nehmer bleibt weiterhin bestehen, sie müssen Ihren Vorgesetzten den Arbeits­ausfall mitteilen. Die Neuerung ist, dass Arbeitgeber ab dem 1.1.2023 keinen „gelben Schein“ mehr von gesetzlich versicherten Arbeit­nehmern erhalten, sondern bei der gesetz­lichen Krankenkasse ihrer Angestellten die eAU online abrufen können.  Dazu Rechts­anwalt Alexander Greth, Mitglied der Arbeits­ge­mein­schaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwalt­verein (DAV): „Nach § 5 Abs. 1 a EFZG wird die „Nachweis­pflicht“ des gesetzlich versicherten Arbeit­nehmers mittels Arbeits­un­fä­hig­keits­be­schei­nigung ersetzt durch die Verpflichtung des Arbeit­nehmers, die Arbeits­un­fä­higkeit beim Arzt feststellen zu lassen. Für privat versicherte Arbeit­neh­me­rinnen und Arbeit­nehmer ändert sich nichts

Die Erfassung der AU könnte dann wie folgt aussehen:

  • Vorgesetzte tragen nach Meldung ihrer Angestellten die Fehlzeiten direkt in das Zeiterfassungssystem ein, im zweiten Schritt ruft die Entgeltabrechnung die eAU von der Krankenkasse ab.
  • Vorgesetzte informieren die Entgeltabrechnung über die gemeldete Arbeitsunfähigkeit. Die Entgeltabrechnung ruft die eAU von der Krankenkasse ab und überträgt den Datensatz in das Zeiterfassungssystem des Unternehmens.

Der Abruf der Beschei­nigung bei der Krankenkasse soll spätestens am Tag nach der ärztlichen Feststellung des Arbeits­ausfalls möglich sein. Weiter­führende Informa­tionen für Arbeitgeber finden Sie hier. Unternehmen, die keine Entgel­tab­rech­nungs­software benutzen, können mit sv.net Meldungen zur Sozial­ver­si­cherung verschlüsselt übermitteln. Informa­tionen finden Sie unter diesem Link.

Was können Arbeitgeber tun, wenn keine Arbeits­un­fä­hig­keits­be­schei­nigung vorliegt?

Arbeit­ge­be­rinnen und Arbeitgeber müssen es auch weiterhin nicht hinnehmen, wenn Beschäftigte ihre Arbeits­un­fä­higkeit pflicht­widrig nicht feststellen lassen:

Der Arbeitgeber ist nicht schutzlos. Es ist zu empfehlen, das Arbeits­entgelt für Tage, an denen Beschäftigte ihre Arbeits­un­fä­higkeit pflicht­widrig nicht feststellen lassen, nicht zu zahlen. Das Leistungs­ver­wei­ge­rungsrecht ergibt sich aus der analogen Anwendung von § 7 Abs. 1 EZFG. In vielen Fällen wird der Arbeitgeber aber gar nicht wissen, ob Beschäftigte die Feststellung pflicht­widrig unterlassen haben oder aus anderen Gründen, beispielsweise technischen Problemen beim Arzt oder der Krankenkasse, die Übermittlung der Information an die Krankenkasse fehlge­schlagen ist. Der Arbeitgeber sollte dann das klärende Gespräch mit dem Arbeit­nehmer suchen und diesen notfalls bitten, ihm die Arbeits­un­fä­hig­keits­be­schei­nigung in Papierform, bzw. ein Foto davon, zukommen zu lassen. Kommt der Arbeit­nehmer dem nicht nach, kann der Arbeitgeber die Zahlung zunächst verweigern. Erhält er dann später von der Krankenkasse die entspre­chenden Daten, muss das Arbeits­entgelt selbst­ver­ständlich nachgezahlt werden“, so Rechts­anwalt Greth.

Für privat versicherte Arbeit­nehmer ändert sich nichts: „Bei Arbeit­nehmern, die kein Mitglied der gesetz­lichen Kranken­ver­si­cherung sind, verbleibt es indes bei der unmittelbaren Anwendung des gesetzlich geregelten Leistungs­ver­wei­ge­rungs­rechts nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG, wenn diese die Arbeits­un­fä­hig­keits­be­schei­nigung nicht rechtzeitig übermitteln.

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