Arbeitsrecht

Verdachtskündigung bei Arbeitszeitbetrug

Rostock/Berlin (DAV). Der dringende Verdacht einer fehlerhaften Arbeitszeiterfassung kann ausreichend sein, um einer Mitarbeiterin oder einem Mitarbeiter zu kündigen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Arbeitnehmer höchstwahrscheinlich zu Hause im Zeiterfassungssystem eingecheckt hat, aber erst später seine Arbeit vor Ort im Dienstgebäude aufgenommen hat. Die Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) verweist auf eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Rostock, vom 28. März 2023 (AZ: 5 Sa 128/22).

Der Kläger war in einem Gleitzeitmodell beschäftigt und für die korrekte Erfassung seiner Arbeitszeit selbst verantwortlich. Er hatte die Möglichkeit, sich online ein- und auszustempeln. Er hatte sich bereits morgens online eingebucht, obwohl er erst später im Büro erschien. Er konnte diesen Umstand nicht plausibel erklären und wurde daraufhin von seinem Arbeitgeber gekündigt.

Das Landesarbeitsgericht erklärte diese Kündigung aufgrund des dringenden Verdachts des Arbeitszeitbetrugs für rechtens. Der Arbeitgeber müsse auf eine korrekte Dokumentation der Arbeitszeiten durch die am Gleitzeitmodell teilnehmenden Arbeitnehmer vertrauen können. Eine Abmahnung als milderes Mittel müsse der Kündigung nicht vorausgehen, da die Pflichtverletzung so schwerwiegend sei. Außerdem diene die flexible Arbeitszeit vor allem den Interessen der Mitarbeiter, indem sie die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben fördere. Jedoch könne ein Arbeitgeber diese Flexibilität nur gewähren, wenn die Arbeitnehmer ihre Arbeitszeiten korrekt erfassen.

Die DAV-Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht weist darauf hin, dass diese Entscheidung bedeutet, dass Arbeitnehmer ihre Arbeitszeiten korrekt erfassen müssen. Gerade in Zeiten zunehmender Flexibilität bei Arbeitszeit und -ort, etwa durch Homeoffice und mobile Arbeit, ist die korrekte Arbeitszeiterfassung von entscheidender Bedeutung.

Informationen: www.dav-arbeitsrecht.de

"Krankfeiern" auf ‚White Night Ibiza Party‘ rechtfertigt fristlose Kündigung

Siegburg/Berlin (DAV). Meldet sich eine Arbeitnehmerin für zwei Tage krank und nimmt an einer "Wild Night Ibiza Party" teil, ist von einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit auszugehen. Eine fristlose Kündigung kann dann gerechtfertigt sein. Dies entschied das Arbeitsgericht Siegburg am 16. Dezember 2022 (AZ: 5 Ca 1200/22), wie die Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mitteilt.

Die Klägerin war bei der Beklagten seit 2017 als Pflegeassistentin beschäftigt. Für ein Wochenende war sie zum Spätdienst eingeteilt. Für diesen Dienst meldete sie sich bei der Beklagten krank. In der Nacht von Samstag und Sonntag fand in Hennef eine ‚White Night Ibiza Party‘ statt. Dort entstanden Fotos von der feiernden Klägerin. Diese waren im WhatsApp-Status der Klägerin und auf der Homepage des Partyveranstalters zu sehen. Nachdem die Beklagte davon erfuhr, kündigte sie ihr fristlos. Hiergegen erhob die Frau Kündigungsschutzklage.

Jedoch ohne Erfolg. Das Arbeitsgericht Siegburg wies die Klage ab. Die fristlose Kündigung sei gerechtfertigt. Der wichtige Kündigungsgrund liege darin, dass die Klägerin ihre Erkrankung vorgetäuscht hatte. Damit habe sie das Vertrauen in ihre Redlichkeit zerstört. Für das Gericht stand aufgrund der Fotos fest, dass sie am Tage ihrer angeblich bestehenden Arbeitsunfähigkeit bester Laune und ersichtlich bei bester Gesundheit an der Party teilgenommen habe. Der Beweiswert der AU-Bescheinigung sei damit erschüttert.

Informationen: www.dav-arbeitsrecht.de

Betriebsratskostenzahlung nicht mit Lohn aufrechnen

Hannover/Berlin (DAV). Zahlt ein Arbeitgeber Kosten für ein Betriebsratsmitglied, obwohl darauf kein Anspruch bestand, darf er diesen Betrag nicht vom Nettolohn des Betriebsratsmitglieds abziehen. Diese Bereiche sind strikt zu trennen. Dies entschied das Landesarbeitsgericht Niedersachsen am 30. August 2022 (AZ: 9 Sa 945/21), wie die Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mitteilt.

Der Kläger ist seit September 1993 bei der Arbeitgeberin als Busfahrer beschäftigt und Mitglied des dortigen Betriebsrats. Ende Oktober 2019 beschloss der Betriebsrat die Entsendung des Klägers zu drei Betriebsratsschulungen, an denen er im Jahr 2020 teilnehmen sollte. An der ersten Schulung „Arbeitsrecht Teil 2“ nahm der Kläger teil. Wegen der Corona-Lage wurde ihm der Besuch der beiden weiteren Seminare „Arbeitsrecht Teil 3“ und „Der gläserne Mitarbeiter“ untersagt. Mit Schreiben im Juli 2020 wandte sich der Rechtsanwalt des Klägers wegen der beiden ausstehenden Seminarteilnahmen an das beklagte Unternehmen. Für seine Tätigkeit stellte er ihr hierfür im Juni 2020 einen Betrag von 413,90 Euro (netto) in Rechnung. Die Beklagte beglich diese Rechnung.

An den Schulungen „Arbeitsrecht Teil 3“ und „Der gläserne Mitarbeiter“ nahm der Kläger im August bzw. Oktober 2020 teil.

Auf seiner Lohnabrechnung musste der Kläger feststellen, dass die Beklagte ihm die Anwaltskosten als „Vorschuss Fachanwalt Arbeitsrecht“ vom Nettoverdienst abgezogen hatte. Der Kläger machte mit seiner Klage die Zahlung von restlicher Arbeitsvergütung für Dezember 2020 geltend.

Der „Aufrechnung“ durch den Arbeitgeber erteilte das Landesarbeitsgericht eine Absage und gab der Klage statt. Der Mann hat Anspruch auf den restlichen Lohn.

Sofern die Arbeitgeberin meine, die Kosten für den Anwalt wären unberechtigt, eine Einschaltung nicht notwendig gewesen, hätte sie deren Übernahme verweigern können. Nicht zulässig sei es, diesen Betrag vom Nettolohn des Betriebsratsmitglieds abzuziehen. Dadurch könnten Betriebsratsmitglieder benachteiligt werden. Dies liege bereits dann vor, wenn eine Schlechterstellung im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern nicht aus sachlichen oder in der Person des Betroffenen liegenden Gründen, sondern wegen ihrer Tätigkeit im Betriebsrat erfolgt. Dies sah das Gericht hier gegeben. Schließlich könne kein anderer Arbeitnehmer in die Situation des Klägers geraten, da es sich um Kosten der Betriebsratstätigkeit handle. Arbeitgeber dürften es nicht in der Hand haben, auch nicht berechtigte Kosten des Betriebsrats zu begleichen und diese sodann von den Vergütungen der Betriebsratsmitglieder abzuziehen.

Informationen: www.dav-arbeitsrecht.de

Pilot ohne eigenes Flugzeug ist abhängig beschäftigt

Darmstadt/Berlin (DAV). Wer in einen Betrieb eingegliedert ist und einem umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt, ist abhängig beschäftigt und somit sozialversicherungspflichtig. Ein Pilot, der über kein eigenes Flugzeug verfügt, und dessen Tätigkeit sich von der eines angestellten Flugzeugführers nicht wesentlich unterscheidet, ist abhängig beschäftigt. Dies entschied das Hessische Landessozialgericht am 29. September 2022 (AZ: L 8 BA 65/21), wie das Verbraucherrechtsportal „anwaltauskunft.de“ mitteilt.

Ein Pilot war für ein Unternehmen, das Wurstwaren produziert und neben Kraftfahrzeugen auch über ein Flugzeug verfügt, an 6 bis 7 Tagen monatlich als Pilot tätig. Er erhielt dafür Tagespauschalen von rund 120 €. Die Deutsche Rentenversicherung leitete ein Verfahren zur Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status ein. Sie stellte fest, dass der Pilot bei dem Unternehmen abhängig beschäftigt sei und er in die Rentenversicherung einzahlen müsse. Dagegen klagte das Unternehmen. Der Pilot sei weder in den Betrieb eingegliedert, noch unterliege er Weisungen des Unternehmens.

Das Landessozialgericht gab der Rentenversicherung Recht. Der Pilot sei in den Betrieb des Unternehmens eingegliedert. Es sah als maßgeblich an, dass er mit der Beförderung der Beschäftigten unmittelbar dem Erreichen der Geschäftszwecke des Unternehmens diente. Es komme nicht auf eine Tätigkeit in der eigentlichen Betriebsstätte an. Der Pilot habe auch die erteilten Flugaufträge persönlich durchführen müssen. Er unterliege auch den Weisungen des Unternehmens. Soweit ein konkreter Flugauftrag erteilt worden sei, seien die Pflichten des Piloten weitgehend festgelegt gewesen.

Der Pilot habe ferner kein unternehmerisches Risiko als typisches Zeichen einer selbstständigen Tätigkeit getragen. Insbesondere habe das Unternehmen das Flugzeug kostenfrei zur Verfügung gestellt. Die Tätigkeit des Piloten sei insoweit nicht anders zu bewerten als die eines Kraftfahrers ohne eigenes Kraftfahrzeug. In beiden Fällen stünden den Beschäftigten keine Betriebsmittel zur Verfügung, um anderweitig am Markt unternehmerisch tätig zu werden.

Informationen und eine Anwaltssuche: www.anwaltauskunft.de

OP-Maske in Reinigungsbranche: Kein tariflicher Erschwerniszuschlag

Berlin (DAV). Wenn Reinigungskräfte bei der Arbeit eine OP-Maske tragen müssen, erhalten sie keinen tariflichen Erschwerniszuschlag. Selbst dann nicht, wenn der Tarifvertrag einen Zuschlag von 10 Prozent für eine persönliche Schutzausrüstung mit vorgeschriebener Atemschutzmaske vorsieht. Die OP-Maske dient in erster Linie dem Schutz anderer Personen. Die Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 17. November 2021 (AZ: 17 Sa 1067/21).

Der Kläger arbeitet als Reinigungskraft. Es gilt der Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Beschäftigten in der Gebäudereinigung (RTV). Darin ist bei Arbeiten mit persönlicher Schutzausrüstung, bei denen eine vorgeschriebene Atemschutzmaske verwendet wird, ein Zuschlag von 10 % vorgesehen. Ab August 2020 war bei der Arbeit eine OP-Maske vorgeschrieben. Deshalb verlangte er den Erschwerniszuschlag.

Die Klage blieb ohne Erfolg. Einen Anspruch auf den Erschwerniszuschlag habe man nur, wenn die Atemschutzmaske Teil der persönlichen Schutzausrüstung des Arbeitnehmers ist. Dies sei bei einer OP-Maske nicht der Fall. Anders als eine FFP2- oder FFP3-Maske diene sie nicht vor allem dem Eigenschutz des Arbeitnehmers, sondern dem Schutz anderer Personen.

Informationen: www.dav-arbeitsrecht.de

Entgeltfortzahlung trotz Covid-19-Quarantäne?

Aachen/Berlin (DAV). Wer krankgeschrieben ist, hat Anspruch auf Lohnfortzahlung. Auch dann, wenn er darüber hinaus in Quarantäne muss. Arbeitnehmer müssen sich nicht mit der Entschädigung für die Arbeitszeit in Quarantäne nach dem Infektionsschutzgesetz begnügen. Die Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über eine Entscheidung des Arbeitsgerichts Aachen vom 30. März 2021 (AZ: 1 Ca 3196/20).

Der Arbeitnehmer wurde wegen Kopf- und Magenschmerzen krankgeschrieben. Sein Arzt führte auch einen Covid-19-Test durch und meldete dies gegenüber dem zuständigen Gesundheitsamt. Das Gesundheitsamt ordnete wenige Tage später Quarantäne an. Der Covid-19-Test fiel im Nachgang negativ aus. Als die Arbeitgeberin von der Quarantäneanordnung erfuhr, zog sie den zunächst an den Kläger gezahlten Lohn von der Folgeabrechnung wieder ab und zahlte stattdessen eine Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz aus. Sie begründete dies damit, dass bei einem Zusammentreffen von Quarantäne und Erkrankung Ansprüche nach dem Infektionsschutzgesetz die Lohnansprüche verdrängten.

Die Klage auf Zahlung des Lohns war erfolgreich. Das Arbeitsgericht stellt fest, dass der Arbeitnehmer trotz der angeordneten Quarantäne weiterhin einen Entgeltfortzahlungsanspruch wegen Krankheit hat. Es sei zwar richtig, dass der Anspruch auf Entgeltfortzahlung die Arbeitsunfähigkeit voraussetzt. Da der Betroffene von seinem Arzt wegen der Kopf- und Magenschmerzen krankgeschrieben wurde, sei die Voraussetzung erfüllt. Der Entschädigungsanspruch nach dem Infektionsschutzgesetz bestehe gerade nicht für arbeitsunfähig Kranke, sondern nur für Ansteckungs- und Krankheitsverdächtige. Entfalle der Verdienst nur aufgrund einer infektionsschutzrechtlichen Maßnahme, greife diese Entschädigung.

Informationen: www.dav-arbeitsrecht.de

Kündigung nach schweren rassistischen und beleidigenden Äußerungen

Düsseldorf/Berlin (DAV). Wer Kolleginnen und Kollegen durch schwere rassistische und beleidigende Äußerungen diffamiert, muss mit einer Kündigung rechnen. Dies gilt auch, wenn es sich um Mitarbeiter einer Fremdfirma gehandelt hat. Auch schützt den Betroffenen nicht seine Schwerbehinderung. Dies ergibt sich aus einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 10. Dezember 2021 (AZ: 5 Sa 231/20). In solchen Fällen müssen auch langjährige Mitarbeiter nicht vorher abgemahnt werden, erläutert die Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV).

Der Kläger arbeitete seit 1981 als Facharbeiter bei einem Unternehmen der chemischen Industrie. Der 55jährige verheiratete Mann, der drei Kinder hat, ist als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H. anerkannt. Die beklagte Firma kündigte das Arbeitsverhältnis nach Zustimmung des Integrationsamtes am 26.10.2019 zum 31.05.2020. Sie warf dem Kläger schwere rassistische und beleidigende Äußerungen gegenüber türkischstämmigen Mitarbeitern von Fremdfirmen vor.

Die Beweisaufnahme durch das Gericht ergab Folgendes:

Am 08.01.2019 hatte sich der Kläger auf die Frage eines Kollegen, was er zu Weihnachten bekommen habe, in der Werkstattküche wie folgt geäußert: „Ich habe mir eine Gaskammer gewünscht, diese aber nicht erhalten. Die Türken soll man ins Feuer werfen und ihnen den Kopf abschlagen.“ Bereits zuvor hatte der Kläger nach der durchgeführten Beweisaufnahme Fremdmitarbeiter als „Ölaugen“, „Nigger“ und „meine Untertanen“ beschimpft. Diese hatten sich nicht bereits vorher beschwert, weil der Kläger sich als unantastbar dargestellt hatte. Als jemand, dem man „nichts könne“, weil er einen Behindertenausweis habe und somit unkündbar sei.

Die Kündigungsschutzklage des Mannes hatte keinen Erfolg. Das Gericht sah aufgrund dieser Äußerungen die Kündigung als sozial gerechtfertigt an. Sowohl die Bezeichnung „Ölaugen“ als auch „Nigger“ oder „Untertanen“ wären nicht hinnehmbare beleidigende Äußerungen. Dies gipfelte - so das Gericht - dann in der nationalsozialistisch menschenverachtenden Äußerung des Klägers vom 08.01.2019. „Diese Bemerkung reduziert die türkischen Arbeitskollegen auf lebensunwerte Wesen und stellt einen unmittelbaren Bezug zu den nationalsozialistischen Gräueltaten her.“ Das Fehlverhalten des Mannes sei so schwerwiegend, dass eine vorherige Abmahnung unzumutbar sei. Trotz des hohen sozialen Besitzstandes und den eher schlechten Chancen des Klägers auf dem Arbeitsmarkt fiel die Interessensabwägung zu dessen Lasten aus.

Allein der Vorfall vom 08.01.2019 zeige, dass es dem Arbeitgeber nicht mehr zumutbar sei, den Mann weiter zu beschäftigen. Die Richter urteilten: Dies gelte insbesondere auch deswegen, weil der Kläger vor seinen Äußerungen zur „Gaskammer“ in keiner Weise von anderen Mitarbeitern gereizt oder verbal angegriffen worden sei. Die Äußerung fiel vielmehr als Antwort auf die völlig unverfängliche Frage des Kollegen, was der Kläger denn zu Weihnachten bekommen habe. Zudem hatte es sich auch nicht um einen einmaligen Vorfall gehandelt. Der Kläger hatte bereits zuvor andere Mitarbeiter wiederholt erheblich beleidigt und zusätzlich seinen sozialen Besitzstand dazu ausgenutzt hat, sich als unangreifbar darzustellen.

Informationen: www.dav-arbeitsrecht.de

Fristlose Kündigung wegen Küssens gegen den Willen einer Kollegin

Köln/Berlin (DAV). Wer Kolleginnen oder Kollegen sexuell belästigt, kann fristlos gekündigt werden. Er verletzt damit seine Pflicht, auf die „berechtigten Interessen seines Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen“. Ein Mann verlor seinen Job, nachdem er auf einer Dienstreise eine Kollegin gegen ihren Willen zu küssen versuchte und auch tatsächlich küsste. Dies entschied das Landesarbeitsgericht Köln am 1. April 2021 (AZ: 8 Sa 798/20). Eine vorherige Abmahnung ist auch bei langjährigen Mitarbeitern nicht nötig, erläutert die Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV).

Der Kläger war seit 1996 bei seiner Arbeitgeberin beschäftigt. Diese stellte Mitte September 2019 eine Kollegin ein. Sie war zuvor bereits als Werkstudentin bei ihr beschäftigt. Während des Werkstudiums hatte der Kläger diese einmal von hinten an die Schultern gefasst, woraufhin sie ihm sagte, dass er das lassen solle.

Auf einer zweitägigen Teamklausur Ende September 2019 kam es zu erneuten Belästigungen. So versuchte der Kläger abends in der Hotelbar mehrfach, seiner Kollegin trotz ihrer geäußerten Ablehnung seine Jacke umzulegen. Auch eine andere Mitarbeiterin forderte ihn auf, damit aufzuhören. Später folgte er der Kollegin auf dem Rückweg von der Hotelbar zu ihrem Zimmer. Auf seine mitgeteilte Absicht, noch mit zu ihr zu kommen, hatte sie bereits erklärt, dass sie das nicht wolle. Vor ihrem Zimmer zog er sie zu sich heran und versuchte sie zu küssen. Nachdem die Kollegin ihn weggedrückt hatte, zog er sie erneut zu sich heran und küsste sie. Die Kollegin drückte ihn nochmals weg, öffnete ihre Zimmertür, ging schnell hinein und verschloss die Tür von innen. Anschließenden schrieb der Kläger eine WhatsApp-Nachricht, in der er hoffte, sie sei ihm nicht böse. Nachdem die Kollegin ihrem Vorgesetzten von dem Vorfall berichtet hatte, kündigte das Unternehmen das Arbeitsverhältnis nach Anhörung des Klägers fristlos.

Die Kündigung wurde in zwei Instanzen bestätigt.

Für das Gericht gab es keine Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit des Sachverhalts. Es habe auch keiner Abmahnung bedurft. Auch für den Kläger müsse klar gewesen sein, dass er mit der sexuellen Belästigung seiner Kollegin eine rote Linie überschritten habe. Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sei für die Arbeitgeberin unzumutbar gewesen. Diese habe schließlich die Pflicht, ihre weiblichen Mitarbeiter vor sexuellen Belästigungen zu schützen.

Informationen: www.dav-arbeitsrecht.de

Corona-Pandemie: Kurzarbeit Null kürzt den Urlaub

Düsseldorf/Berlin (DAV). Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mussten wegen der Corona-Pandemie in Kurzarbeit. Viele auch in „Kurzarbeit Null“. Während dieser Zeit erwirbt man keine Urlaubsansprüche. Der Jahresurlaub wird für den Zeitraum der Kurzarbeit null anteilig gekürzt. Die Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über eine Entscheidung des Landesarbeitsgericht Düsseldorf vom 12. März 2021 (AZ: 6 Sa 824/20).

Die Klägerin arbeitet als Verkaufshilfe mit Backtätigkeiten bei einem Betrieb der Systemgastronomie. Sie ist in einer Drei-Tage-Woche in Teilzeit tätig. Pro Jahr stehen ihr 28 Werktage bzw. umgerechnet 14 Arbeitstage Urlaub zu.

Infolge der Corona-Pandemie arbeitete sie von April bis Dezember 2020 wiederholt in Kurzarbeit Null. In den Monaten Juni, Juli und Oktober bestand diese durchgehend. Im August und September 2020 gewährte ihr die Beklagte insgesamt 11,5 Arbeitstage Urlaub. Die Klägerin meinte, die Kurzarbeit habe keinen Einfluss auf ihre Urlaubsansprüche. Konjunkturbedingte Kurzarbeit erfolge nicht auf Wunsch des Arbeitnehmers, sondern im Interesse der Arbeitgeberin. Kurzarbeit sei auch keine Freizeit. Sie unterliege auch während der Kurzarbeit Meldepflichten. Die Arbeitgeberin könne auch die Kurzarbeit kurzfristig vorzeitig beenden. Daher fehle es an einer Planbarkeit der freien Zeit. Nach ihrer Ansicht stünde ihr für das Jahr 2020 der ungekürzte Urlaub von 14 Arbeitstagen zu. Die Arbeitgeberin entgegnete, dies sei mangels Arbeitspflicht während der Kurzarbeit Null nicht der Fall.

Die Klage der Frau ist in zwei Instanzen erfolglos. Während der Kurzarbeit Null erwerbe man keine Urlaubsansprüche, urteilten die Richter. Der Jahresurlaub 2020 stehe ihr deshalb nur anteilig im gekürzten Umfang zu. Für jeden vollen Monat der Kurzarbeit Null war der Urlaub um 1/12 zu kürzen, was sogar eine Kürzung um 3,5 Arbeitstage ergeben würde. Erholungsurlaub bezwecke zwar sich zu erholen, dies setze aber eine Verpflichtung zur Tätigkeit voraus. Während der Kurzarbeit entfalle aber diese Pflicht. Daher würden Kurzarbeiter wie vorübergehend teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer behandelt, deren Erholungsurlaub ebenfalls anteilig zu kürzen sei. Auch sei Kurzarbeit Null nicht mit Arbeitsunfähigkeit zu vergleichen.

Dies entspricht auch dem Europäischen Recht. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs entsteht während Kurzarbeit Null der europäische Mindesturlaubsanspruch nicht, so die DAV-Arbeitsrechtsanwälte.

Corona-Anhuster kann fristlose Kündigung rechtfertigen

Düsseldorf/Berlin (DAV). Wer bewusst einen Kollegen aus nächster Nähe während der Corona-Pandemie anhustet und wünscht, er solle Corona bekommen, kann fristlos gekündigt werden. Er verletzt in erheblicher Weise die dem Arbeitsverhältnis innewohnende Rücksichtnahmepflicht gegenüber dem Kollegen. Dies ergibt sich aus einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 27. April 2021 (AZ: 3 Sa 646/20). Voraussetzung ist aber, dass ihm dies nachgewiesen werden kann. Bei einer Verletzung der Abstandsregeln droht eine Abmahnung, erläutert die Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV).

Der Kläger war zunächst Auszubildender und seit Januar 2019 bei dem beklagten Unternehmen beschäftigt. Er ist Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung. In der ersten Corona-Welle im März aktivierte das Unternehmen einen internen Pandemieplan. Es galten als Verhaltensregeln: der Abstand zueinander, Hygienemaßnahmen sowie das Bedecken von Mund und Nase beim Husten oder Niesen mit einem Papiertaschentuch oder Ärmel. Die Belegschaft wurde in verschiedenen E-Mails und einer Abteilungsversammlung informiert. Die Verhaltens- und Hygieneregeln wurden zudem auf Zetteln im Betrieb verteilt.

Dem Kläger wurde vorgeworfen, sich mehrfach nicht an die wegen der Corona-Pandemie ergriffenen Hygienemaßnahmen sowie an die Sicherheitsabstände gehalten zu haben. Er habe in Gesprächen signalisiert, dass er die Maßnahmen „nicht ernst nehme“ und diese nicht einhalten werde. Am 17. März 2020 habe er schließlich einen Kollegen vorsätzlich und ohne jegliche Barriere aus einem Abstand von einer halben bis maximal einer Armlänge angehustet. Sinngemäß habe der Kläger gesagt, er hoffe, dass der Kollege Corona bekäme. Deshalb wurde dem Kläger fristlos gekündigt.

Der Kläger hingegen meinte, er habe andere Personen keinen Infektionsgefahren ausgesetzt und, soweit es ihm möglich gewesen sei, die Sicherheitsabstände und die Etikette beim Husten eingehalten. Am fraglichen Tag habe er einen Hustenreiz verspürt und deshalb spontan husten müssen. Der Abstand zum Kollegen sei aber ausreichend gewesen. Als der andere Kollege sich belästigt fühlte, habe er nur entgegnet, der Kollege möge „chillen, er würde schon kein Corona bekommen“.

Der Betriebsrat stimmte der fristlosen Kündigung zu.

Das Landesarbeitsgericht gab der Kündigungsschutzklage nach der Vernehmung mehrerer Zeuginnen und Zeugen statt. Letztlich habe der Arbeitgeber das vorgeworfene Verhalten nicht beweisen können.

Das von der Beklagten behauptete Verhalten des Klägers hätte eine fristlose Kündigung gerechtfertigt. Wer im März 2020 bewusst einen Kollegen aus nächster Nähe anhustete und äußerte, er hoffe, dass er Corona bekäme, verletzte in erheblicher Weise die dem Arbeitsverhältnis innewohnende Rücksichtnahmepflicht gegenüber seinem Kollegen. Wenn der Arbeitnehmer im Übrigen auch deutlich mache, sich nicht an die Arbeitsschutzvorschriften zu halten, genügte auch keine Abmahnung. Allerdings habe die Beklagte den behaupteten Sachverhalt nicht beweisen können. Einer Verletzung von Abstandsregeln könne durch eine Abmahnung begegnet werden.