Erbrecht

Befugnis eines Testamentsvollstreckers mit sich selbst kontrahieren zu dürfen, gehört ins Testamentsvollstreckerzeugnis

 

Befugnis eines Testamentsvollstreckers mit sich selbst kontrahieren zu dürfen, gehört ins Testamentsvollstreckerzeugnis

 

Hamm/Berlin (DAV). Wer Testamentsvollstrecker anordnet, für den wickelt ein Testamentsvollstrecker als eine Art Vertreter der Erben den Nachlass ab. Das Gesetz verbietet in § 181 BGB Vertretern und damit auch dem Testamentsvollstrecker grundsätzlich für den Nachlass mit sich selbst Geschäfte abzuschließen. Von diesem sog. „Verbot des Selbstkontrahierens“ kann der Erblasser den Testamentsvollstrecker aber in seinem Testament befreien. Doch wie weist der Testamentsvollstrecker seine über das Gesetz hinausgehenden Befugnisse nach? Durch ein entsprechendes Testamentsvollstreckerzeugnis, wie die Arbeitsgemeinschaft Erbrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) berichtet über eine Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm in seinem Beschluss vom 23.11.2023 (15 W 231/23).

Eine Frau benennt im Testament ihre Erben und ordnet Testamentsvollstreckung an. Die Testamentsvollstreckerin befreite sie „von allen gesetzlichen Beschränkungen, insbesondere denen des § 181 BGB“. Die Testamentsvollstreckerin nimmt das Amt an und beantragt die Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses, das ausweist, dass sie von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit ist. Das Amtsgericht weist den Antrag zurück, weil eine Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB im Testamentsvollstreckerzeugnis nicht aufzunehmen sei.

Zu Unrecht, entscheidet das Gericht. Dem Testamentsvollstrecker ist gemäß § 2368 BGB auf Antrag ein Zeugnis über die Ernennung zu erteilen. Gemäß § 354 Abs. 2 FamFG sind Beschränkungen des Testamentsvollstreckers in der Verwaltung des Nachlasses sowie eine Anordnung des Erblassers, wonach der Testamentsvollstrecker in der Eingehung von Verbindlichkeiten für den Nachlass nicht beschränkt sein soll, in das Zeugnis aufzunehmen. Weitere ausdrückliche Vorgaben hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung des Testamentsvollstreckerzeugnisses enthält das Gesetz nicht. Nach allgemeinen Grundsätzen sind im Testamentsvollstreckerzeugnis im Interesse der Sicherheit des Rechtsverkehrs jedoch alle Abweichungen von der gewöhnlichen Rechtsmacht eines Testamentsvollstreckers anzugeben, soweit sie für den rechtsgeschäftlichen Verkehr mit Dritten erheblich sind. Hierzu zählen nicht nur Beschränkungen der Regelbefugnisse, sondern auch Erweiterungen. Daher ist auch die Tatsache, dass der Testamentsvollstrecker von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit ist, in das Testamentsvollstreckerzeugnis aufzunehmen; denn dies kann im Rechtsverkehr von Bedeutung sein, etwa zum dem Grundbuchamt oder dem Handelsregister gegenüber, denen gegenüber die Vermutung der Richtigkeit des Testamentsvollstreckerzeugnisses ebenfalls gilt.

Informationen: www.dav-erbrecht.de

 

Wann kann ein Zwangsgeld wegen Unvollständigkeit eines Nachlassverzeichnisses festgesetzt werden?

Frankfurt/Berlin (DAV). Das Gesetz gibt dem Pflichtteilsberechtigen einen Anspruch auf Auskunft über den Nachlass durch Aufnahme eines notariellen Nachlassverzeichnisses, um den Nachlasswert und damit den Pflichtteilsanspruch zu ermitteln. Dabei kann der Pflichtteilberechtigte verlangen, dass er bei der Aufnahme des Verzeichnisses zugegeben ist. Kommt der Erbe seinen Pflichten nicht nach, so kann der Pflichtteilsberechtigte seine Rechte durchsetzen, in dem er bei Gericht ein Zwangsgeld gegen den Erben festsetzen lässt. Hierzu braucht es aber einen entsprechenden Titel. Darüber entscheidet das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt in seinem Beschluss vom 6. Oktober 2023 (14 W 41/23). Die Arbeitsgemeinschaft Erbrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) berichtet.

Ein Mann setzt seine Ehefrau zu seiner Alleinerbin ein. Seine enterbte Tochter macht gegen diese ihren Pflichtteil geltend und erhebt eine sog. Stufenklage, im Rahmen derer die Erbin auf Antrag der Tochter zur Auskunft über den Bestand des Nachlasses durch Vorlage eines notariellen Verzeichnisses verurteilt wird. Als das notarielle Verzeichnis nach einem halben Jahr immer noch nicht vorliegt, lässt die Tochter gegen die Alleinerbin ein Zwangsgeld verhängen. Die Alleinerbin wehrt sich dagegen mit dem Einwand, sie habe den Notar beauftragt und mehrmals telefonisch bzgl. des Nachlassverzeichnisses nachgefragt. Als die Alleinerbin kurze Zeit später das Nachlassverzeichnis vorlegt, will die Tochter den Zwangsgeldbeschluss aufrechterhalten, da sie bei der Aufnahme des Verzeichnisses nicht zugezogen wurde.

Zu Unrecht, entscheidet das Gericht. Zwar kann ein Pflichtteilsberechtigter verlangen, bei der Aufnahme eines notariellen Verzeichnisses hinzugezogen zu werden. Ein Zwangsgeld kann aber nur wegen eines z. B. durch ein Urteil titulierten Anspruchs verhängt werden. Es ist daher nach überwiegender Ansicht erforderlich, dass die Pflicht, der Pflichtteilsberechtigten die Anwesenheit bei der Aufnahme des notariellen Verzeichnisses zu gestatten, tituliert, d. h. im Urteil aufgenommen ist. Jedenfalls kann der Pflichtteilsberechtigte die Wiederholung der Errichtung unter seiner Hinzuziehung nur dann verlangen, wenn er vor der Erstellung sein Anwesenheitsrecht geltend gemacht hatte. An beidem fehlte es hier. Die Verhängung eines Zwangsgeldes ist daher nach Vorlage des Verzeichnisses nicht mehr gerechtfertigt.

Informationen: www.dav-erbrecht.de

Kann auf Erbquoten im Erbschein verzichtet werden, obwohl der Erblasser diese genau festgelegt hat?

Celle/Berlin (DAV). Vor allem wenn Personen ihre einzelnen Nachlassgegenstände auf ihre Erben verteilen, kann es aufwendig sein, die Erbquoten festzustellen. Hierzu müssen die Werte der zugewendeten Gegenstände ins Verhältnis zum Wert des Gesamtnachlasses gesetzt werden. Daher erlaubt das Gesetz die Erteilung eines Erbscheins, der nur die Erben ohne Angabe einer Erbquote nennt. Doch kann man von dieser Möglichkeit auch Gebrauch machen, wenn die Quoten in der Verfügung von Todes wegen genau bestimmt sind? Die Arbeitsgemeinschaft Erbrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) berichtet über eine Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Celle in seinem Beschluss vom 23. Oktober 2023 (6 W 116/23).

Ein Mann setzt in einem notariellen Testament zehn Personen zu genau angegebenen Quoten zu seinen Erben ein. Zudem ordnet er Testamentsvollstreckung an. Der Testamentsvollstrecker, der eine ordnungsgemäße Aufteilung des Nachlasses unter den zehn Erben Sorge tragen soll, beantragt beim Nachlassgericht einen Erbschein, der die zehn Personen quotenlos als Erben des Mannes ausweist. Das Amtsgericht weist den Antrag zurück.

Zu Recht, beschließt das Gericht. Das Gesetz bestimmt zwar, dass die Angabe der Erbteile im Erbschein nicht erforderlich ist, wenn alle Antragsteller auf Aufnahme der Erbquoten in den Erbschein verzichten. Dabei handelt sich allerdings um eine Ausnahmevorschrift, deren Sinn darin besteht, die Erteilung eines Erbscheins zu vereinfachen, wenn die Bestimmung der Erbquoten mit hohem Aufwand verbunden ist. Diesem Zweck entsprechend gilt die Ausnahme also gerade nicht, wenn der Erblasser die Erbquoten eindeutig festgelegt hat und diese ohne weiteres in den Erbscheinsantrag übernommen werden können. Ein Verzicht auf die Angabe der Erbquoten ist in einem solchen Fall nicht gerechtfertigt.

Informationen: www.dav-erbrecht.de

Auch unter Betreuung stehende Personen können eine Erbschaft ausschlagen

 

Auch unter Betreuung stehende Personen können eine Erbschaft ausschlagen

 

Berlin/Berlin (DAV). Wenn jemand erbt und unter Betreuung steht, so ist fraglich, ob der Betreute selbst die Erbschaft ausschlagen kann. Darüber entscheidet das Kammergericht (KG) Berlin in seinem Beschluss vom 20.1.2022 (19 W 174/21). Die Arbeitsgemeinschaft Erbrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) berichtet.

Ein Mann macht unerwartet eine Erbschaft. Obwohl er einen Betreuer hat, schlägt er diese selbst fristgerecht aus. Später versucht der Betreuer dies rückgängig zu machen, indem er die Ausschlagungserklärung anficht. Außerdem ist er der Meinung, der Betreute selbst habe wegen der Betreuung gar nicht wirksam ausschlagen können. Die Betreuung war angeordnet worden für Wohnungsangelegenheiten sowie Vertretung vor Behörden und Gerichten.

Ohne Erfolg. Auch wer unter Betreuung steht, kann selbst eine Erbschaft ausschlagen. Denn bei einer Ausschlagung handelt es sich um eine Willenserklärung. Auch wenn sie gegenüber dem zuständigen Nachlassgericht abzugeben ist, handelt es sich nicht um eine Vertretung vor Gericht. Selbst eine solche hätte der Betreute aber abgeben können, da weder die Betreuung unter Einwilligungsvorbehalt angeordnet war, noch Anzeichen dafür gegen waren, dass der Mann geschäftsunfähig war. Auch eine Anfechtung kommt nicht in Betracht. Dafür wäre erforderlich, dass der Mann sich bei Abgabe der Ausschlagungserklärung über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses geirrt hat. Das aber war nicht der Fall. Der Mann wusste, dass eine Eigentumswohnung zum Nachlass gehört. Die mit der Ausschlagung verfolgten Ziele seien nur mittelbare Folgen und damit Motive, die nicht zur Anfechtung berechtigen.

Informationen: www.dav-erbrecht.de

 

Sicherung des Nachlasses durch Nachlasspflegschaft bei ungewisser Erbfolge

Brandenburg/Berlin (DAV). Liegen mehrere Testamente vor, aus denen sich keine klare Erbfolge erkennen lässt, so kann ein Bedürfnis zur Sicherung des Nachlasses durch eine Nachlasspflegschaft bestehen. Darüber entscheidet das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg in seinem Beschluss vom 29.11.2022 (3 W 79/22). Die Arbeitsgemeinschaft Erbrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) berichtet.

Ein Mann hinterlässt mehrere Verfügungen von Todes wegen. Neben einem privatschriftlichen Testament, in dem der Erblasser seine Ehefrau als seine Alleinerbin eingesetzt hat, existiert ein maschinengeschriebenes Testament mit einer ebenfalls maschinengeschriebenen und mit identischem Datum versehenen Änderung. Zwei Jahre später versieht der Erblasser dieses Schriftstück mit einer handgeschriebenen Änderung, in der er seine Kinder enterbt. In einem vier Jahre später verfassten handgeschriebenen und unterschriebenen Zusatz schreibt er seiner Lebensgefährtin alle Ansprüche aus Pensionszusage, einem Maklerlizenzvertrag sowie einem Darlehensvertrag zu. Nach dem Tod des Erblassers ordnet das Nachlassgericht Nachlasspflegschaft für die unbekannten Erben des Erblassers an, da die Erbfolge aufgrund diverser Testamente ungewiss sei. Gegen den Beschluss des Gerichts legt die Lebensgefährtin des Erblassers Beschwerde ein, da sie der Auffassung ist, dass sie selbst als Erbin eingesetzt wurde und die Erben somit nicht unbekannt sind.

Zu Unrecht, so entscheidet das Gericht. Das Nachlassgericht muss bei der Beurteilung der Erbfolge zwar nicht mit eindeutiger Gewissheit die Person des Erben feststellen können, erforderlich ist aber, dass eine bestimmte Person mit hoher Wahrscheinlichkeit Erbe geworden ist. Maßgeblicher Zeitpunkt für diese Beurteilung ist die Beschlussfassung des Gerichtes. Kann sich das Nachlassgericht nicht ohne umfängliche Ermittlungen davon überzeugen, wer von mehreren in Betracht kommenden Personen Erbe geworden ist, so gilt der Erbe als unbekannt. Bei mehreren, nicht ganz eindeutigen Testamenten, kann das Gericht die Person des Erben nicht ohne eben solche weitreichenden Ermittlungen über die Vermögensverhältnisse und den Bestand des Nachlasses zum Zeitpunkt der verschiedenen Verfügungen von Todes wegen feststellen. Neben einem Sicherungsanlass, der aufgrund der Ungewissheit in Bezug auf die Person des Erben bestehen kann, ist ein Fürsorgebedürfnis erforderlich. Ein solches ist gegeben, wenn ohne das Eingreifen des Nachlassgerichts der Bestand des Nachlasses gefährdet wäre, wobei ausschließlich das Interesse des endgültigen Erben maßgeblich ist. Zum Zeitpunkt der Anordnung über den Sicherungsanlass bedarf es daher konkreter Anhaltspunkte für eine weitergehende Gefährdung des Nachlasswertes, so z.B. die Verminderung des Aktivvermögens durch Wertverlust, durch Unterlassen der Geltendmachung von Ansprüchen oder wegen fehlender ordnungsgemäßer Verwaltung. Dies kann sich aus der Höhe und der Zusammensetzung des Nachlasses ergeben.

Informationen: www.dav-erbrecht.de

Ab wann läuft die Ausschlagungsfrist bei mehreren sich widersprechenden Erbfolgeregelungen?

Wuppertal/Berlin (DAV). Ein Erbe muss man nicht annehmen. Es steht jedem frei, dies auszuschlagen. Die Frist hierzu ist vom Gesetz mit 6 Wochen aber denkbar kurz gesetzt. Diese 6 Wochen beginnen in dem Moment zu laufen, in dem man Kenntnis davon hat, zum Erben berufen zu sein. Gibt es mehrere sich widersprechende Erbfolgeregelungen, deren Verhältnis zueinander ungeklärt ist, so mag man sich nicht sofort Klarheit verschaffen können, ob man Erbe ist oder nicht. Dann kann der Lauf der Ausschlagungsfrist sich hinauszögern. Die Arbeitsgemeinschaft Erbrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) berichtet über eine Entscheidung des Landgerichts (LG) Wuppertal in seinem Urteil vom 6.1.2023 (2 O 298/19).

Eine Frau schließt mit ihrem ersten Ehemann einen Erbvertrag, in dem sie sich gegenseitig zu Erben einsetzen. Als Erben des Längerlebenden setzen die Eheleute u.a. die spätere Adoptivtochter der Frau ein und ordnen Testamentsvollstreckung sowie verschiedene Vermächtnisse an. Nachdem ihr erster Ehemann verstirbt, widerruft die Frau alle früheren Verfügungen von Todes wegen und setzt durch notarielles Testament ihren zweiten Ehemann als ihren alleinigen Erben ein. Kurz darauf errichtet sie ein weiteres notarielles Testament, in dem sie erneut alle vorherigen Verfügungen von Todes wegen widerruft und wieder ihre spätere Adoptivtochter zu ihrer Alleinerbin ohne Beschränkungen einsetzt. Als die Frau einige Jahre nach der Adoption der Tochter verstirbt, stellt die Adoptivtochter auf Grundlage des letzten notariellen Testaments einen Antrag auf einen Erbschein, der sie als unbeschränkte Alleinerbin ausweist. Dieser wird mit dem Hinweis zurückgewiesen, dass die beiden zuletzt errichteten Testamente aufgrund der Bindungswirkung des Erbvertrages unwirksam seien. Daraufhin schlägt sie ihre Miterbenstellung aus dem Erbvertrag wegen Beschränkungen und Beschwerungen aus und macht gegenüber den übrigen durch den wirksamen Erbvertrag eingesetzten Erben ihren Pflichtteil geltend.

Zu Recht, entscheidet das Gericht. Eine Ausschlagung mit dem Ziel, den Pflichtteil zu erlangen, ist grundsätzlich möglich, wenn die eigene Miterbeneinsetzung – wie hier – mit Testamentsvollstreckung bzw. Vermächtnissen beschwert ist. Die Ausschlagung hat aber innerhalb der vom Gesetz vorgesehenen 6wöchigen Frist zu geschehen. Dies beginnt grundsätzlich erst zu laufen, wenn der Erbe weiß, dass er zum Erben berufen ist. Liegen mehrere sich widersprechende Erbfolgeregelungen vor, die Grundlage für die Berufung sein können, mag sich der Erbe über den Grund seiner Berufung irren. Ein solcher Rechtsirrtum kann den Beginn der Ausschlagungsfrist dann hemmen, wenn die Gründe für den Irrtum jedenfalls nicht von Anfang an von der Hand zu weisen sind. Bei mehreren, sich inhaltlich völlig unterscheidenden Erbeinsetzungen, ist – zumal für juristische Laien – oft nicht erkennbar, welche Gültigkeit beansprucht. Knüpft er sein Handeln an die letzte Verfügung von Todes wegen an, so ist dies grundsätzlich nachvollziehbar, da eine mögliche Bindungswirkung eines vorangehenden Erbvertrages oft nicht ohne weiteres erkennbar oder vorhersehbar ist. Die 6wöchige Ausschlagungsfrist beginnt in einem solchen Fall daher nicht, bevor nicht im Erbscheinsverfahren verbindlich über die Frage der Bindungswirkung entschieden ist.

Informationen: www.dav-erbrecht.de

Kann das Grundbuchamt die Vorlage des Erbscheins fordern, wenn die in einem öffentlichen Testament geregelte Erbfolge durch ein späteres privatschriftliches Testament berührt wird?

Schleswig-Holstein/Berlin (DAV) geändert, dass in einem später errichteten privatschriftlichen Testament eine „Verwirkungsklausel“ eingefügt wird, so ist fraglich, ob das Grundbuchamt die Vorlage eines Erbscheins verlangen kann. Darüber entscheidet das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig-Holstein in seinem Beschluss vom 30.12.2022 (2 Wx 29/22). Die Arbeitsgemeinschaft Erbrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) berichtet.

Ein Mann setzt durch ein notariell errichtetes Testament („öffentliches Testament“) seine drei Söhne zu gleichen Teilen als seine Erben ein. Ein paar Monate später errichtet er daneben ein eigenhändiges Testament, in dem er zwar die Erbfolge an sich nicht ändert, jedoch anknüpfend an das notarielle Testament bestimmt, dass „ein Erbe, der Klage erhebt“ nur seinen Pflichtteil erhalten soll (sog. „Verwirkungsklausel“). Beide Testamente werden eröffnet. Als die Söhne beim zuständigen Grundbuchamt die Eigentumsumschreibung für ein zum Nachlass gehörendes Grundstück beantragen wollen, fordert sie das Grundbuchamt auf, einen Erbschein vorzulegen.

Zu Recht, urteilt das Gericht. Zwar bedarf es der Vorlage eines Erbscheins zur Grundbuchberichtigung grundsätzlich dann nicht, wenn sich die Erbfolge aus einem öffentlichen Testament ergibt. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn die Erbfolge durch ein später errichtetes eigenhändiges Testament geändert wird. Eine solche Änderung wird auch durch eine „Verwirkungsklausel“ wie hier vorgenommen. Denn eine solche hat zur Folge, dass derjenige, der gegen das in der Klausel enthaltene und zu sanktionierende Verhalten verstößt, sein Erbrecht verliert. Hierdurch aber wird die Erbfolge des öffentlichen Testaments modifiziert. Das privatschriftliche Testament ist daher für die korrekte und vollständige Erfassung der Erbfolge von Bedeutung, sodass das Grundbuchamt zum Nachweis der Erbfolge berechtigt ist, trotz des bestehenden öffentlichen Testaments auf der Vorlage eines Erbscheins zu bestehen.

Auskunfts- und Wertermittlungsanspruch des Pflichtteilsberechtigten nach Annahme eines ihm zugedachten Vermächtnisses?

München/Berlin (DAV). Setzen sich Ehepartner durch einen Erbvertrag gegenseitig als ihre Alleinerben ein, so steht ihren Kindern grundsätzlich ein Pflichtteil zu. Regeln die Ehepartner aber im Rahmen des Erbvertrages, dass die Kinder beim Tod des erstversterbenden Ehepartners ein Vermächtnis erhalten sollen, so haben die Kinder die Wahl, sich für das Vermächtnis oder für den Pflichtteil zu entscheiden. Nehmen sie das Vermächtnis an, so stehen ihnen die Auskunfts- und Wertermittlungsansprüche wie sie sich aus einem Pflichtteilsanspruch ergeben, nicht mehr zu, die sich aus einem Pflichtteilsanspruch ergeben. Darüber entscheidet das Oberlandesgericht (OLG) München in seinem Beschluss vom 22.11.2022 (33 U 2216/22). Die Arbeitsgemeinschaft Erbrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) berichtet.

Eine Frau verstirbt. Auf Grundlage eines notariellen Ehe- und Erbvertrages zwischen ihr und ihrem Ehemann ist dieser Alleinerbe der Frau geworden. Der Erbvertrag enthält eine Regelung, die besagt, dass der Sohn beim Tod des zuerst versterbenden Ehepartners ein Vermächtnis erhalten soll, welches der Höhe nach dem gesetzlichen Pflichtteil entspricht. Nach dem Tod seiner Mutter nimmt der Sohn dieses Vermächtnis an. Daneben verlangt er von seinem Vater die Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses sowie eine Wertermittlung auf Kosten des Nachlasses. Der Vater übergibt dem Sohn ein einfaches Nachlassverzeichnis, ist aber der Auffassung, dass dieser kein notarielles Nachlassverzeichnis und keine Wertermittlung auf Kosten des Nachlasses verlangen kann.

Zu Recht, so urteilt das Gericht. Zwar kann einem Kind, welches ein Vermächtnis in Höhe des gesetzlichen Pflichtteils annimmt, ein einfacher Auskunftsanspruch zustehen, der ihm dabei hilft, seinen Anspruch auf das Vermächtnis durchzusetzen. Ein Anspruch auf ein notarielles Nachlassverzeichnis sowie auf Wertermittlung der Kosten des Nachlasses steht ihm hingegen nicht zu. Denn mit der Annahme des Vermächtnisses erlischt der Pflichtteilsanspruch und alle damit verbundenen Auskunfts- und Wertermittlungsansprüche vollständig. Ein weitergehender Anspruch als ein allgemeiner Auskunftsanspruch kann schon deshalb nicht angenommen werden, da das Kind sich bewusst für die Annahme des Vermächtnisses entschieden hat und damit gleichzeitig gegen einen Pflichtteilsanspruch. Es ist daher nicht vom Gesetz vorgesehen, dass das Kind trotz seiner Entscheidung gegen den Pflichtteil Ansprüche geltend machen kann, die ihm zustehen würden, wenn es sich für den Pflichtteil entschieden hätte. Auch das Bedürfnis nach Informationen ist bei der Annahme eines Vermächtnisses lediglich auf dessen Erlangung gerichtet und steht damit einem Informationsbedürfnis eines Pflichtteilsberechtigten nicht gleich.

Informationen: www.dav-erbrecht.de

Wer verfügt über die Einziehung eines Erbscheins: Richter oder Rechtspfleger?

Köln/Berlin (DAV). Werden Einwendungen gegen die Einziehung eines Erbscheins erhoben, so hat der Richter und nicht der Rechtspfleger zu entscheiden, zeigte das Oberlandesgericht (OLG) Köln in seinem Beschluss vom 31.8.2022 (2 Wx 175/22). Die Arbeitsgemeinschaft Erbrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) berichtet.

Eine Frau verstirbt. Das Nachlassgericht erteilt der gesetzlichen Alleinerbin einen Erbschein. Später wird ein Testament aufgefunden, das einen Mann als Alleinerben bestimmt. Daraufhin zieht die Rechtspflegerin den Erbschein ein. Gegen diesen Beschluss legt die gesetzliche Alleinerben Beschwerde ein.

Zu Recht, urteilen die Richter; denn nicht die Rechtspflegerin, sondern der Richter wäre zuständig gewesen, über die Einziehung zu entscheiden. Zwar sei die Entscheidung über die Einziehung von Erbscheinen grundsätzlich vom Rechtspfleger zu treffen. Etwas anderes gilt aber dann, wenn der Erbschein wie hier wegen einer Verfügung von Todeswegen einzuziehen ist und das Verfahren streitig geführt wird. Die Rechtspflegerin hätte die Sache daher dem Richter vorlegen müssen.

Informationen: www.dav-erbrecht.de

Erbe muss auf Verlangen des Pflichtteilsberechtigten Notar beauftragen, ohne dass der Pflichtteilsberechtigte seinerseits zuvor Auskunft erteilt

Köln/Berlin (DAV). Wer als nächster Angehöriger enterbt wurde und daher Pflichtteilsansprüche geltend macht, hat gegen den Erben zur Berechnung seiner Pflichtteilsansprüche einen Anspruch auf Auskunft über den Bestand des Nachlasses. Er kann verlangen, dass das betreffende Nachlassverzeichnis von einem Notar erstellt wird. Was, wenn der Erbe seinerseits Auskunft vom Pflichtteilsberechtigten verlangt und solange die Beauftragung eines Notars verhindert, entscheidet das Oberlandesgericht (OLG) Köln in seinem Beschluss vom 3.11.2022 (24 W 61/22). Die Arbeitsgemeinschaft Erbrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) berichtet.

Eine Frau wird von ihrer Mutter enterbt. Sie erstreitet ein obsiegendes Urteil gegen ihren allein erbenden Bruder, mit dem dieser zur Vorlage eines notariellen Verzeichnisses verurteilt wird. Dieser verweigert gleichwohl die Beauftragung eines Notars mit der Begründung, seine Schwester schulde seinerzeit Auskunft, ohne die keine Erstellung eines vollständigen Nachlassverzeichnisses möglich sei. Die Frau beantragt ein Zwangsgeld gegenüber ihrem Bruder festzusetzen.

Zu Recht, urteilt das Gericht. Bei der Auskunft über den Bestand eines Nachlasses handelt es sich um eine nicht vertretbare Handlung, die mittels Zwangsgeldes durchgesetzt wird. Dies gelte auch dann, wenn die Auskunftserteilung durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses zu erfolgen habe. Der Erbe hat in diesem Fall mit der gebotenen Intensität einen Notar zu finden und alle tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, um diesen zur Erstellung des Nachlassverzeichnisses zu bewegen. Dem stehe auch die Aussage des Schuldners, er sei an der Vorlage des geschuldeten Verzeichnisses dadurch gehindert, dass die Gläubigerin ihrerseits keine Auskunft über von ihr erhaltene Zuwendungen erteilt. Denn unabhängig von der Frage der Relevanz der vermissten Informationen sei es jedenfalls nicht Sache des Erben, sondern des von ihm zu beauftragenden Notars zu bestimmen, ob und in welchem Umfang Informationen des Pflichtteilsberechtigten benötigt werden. Der Bruder hatte daher zunächst einmal einen Notar zu beauftragen.

Informationen: www.dav-erbrecht.de