Krankenkasse muss Spracherkennung für Förderschülerin übernehmen
Celle/Berlin (DAV). Behinderte Kinder haben einen Anspruch gegen die gesetzliche Krankenkasse, bei Bedarf mit einer Spracherkennung ausgestattet zu werden. Damit soll die Schulfähigkeit gesichert werden. Dies ergibt sich aus einer Entscheidung des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 1. April 2021 (AZ: L 4 KR 187/18). Betroffene müssen sich nicht auf den Schulträger verweisen lassen, erläutert die Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV). Der Anspruch kann sich auch auf die für die Allgemeinheit entwickelte Software ‚Dragon‘ erstrecken.
Die Eltern einer damals neunjährigen Förderschülerin, die an spastischen Lähmungen leidet, klagten gegen die gesetzliche Krankenkasse. Nur unter größter Anstrengung konnte die Tochter einen Stift halten und schreiben. Im Jahre 2016 beantragten die Eltern u.a. eine Computerausstattung mit dem Programm ‚Dragon Professional‘ für Schüler für 595 €. Die Kasse lehnte den Antrag ab. Bei der Software handele es sich um ein Produkt für die Allgemeinbevölkerung und nicht um ein Hilfsmittel für Behinderte. Für sogenannte „Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens“ sei die Krankenkasse nicht zuständig. Außerdem könne das Mädchen die Spracherkennung unter Microsoft-Windows nutzen. Für die barrierefreie Ausstattung von Schulen sei der Schulträger und nicht die Krankenkasse zuständig.
Die Eltern hielten die betreffende Software für ein wichtiges Hilfsmittel, da längere Schreibaufgaben bisher von einer Integrationskraft übernommen wurden.
Die Klage ist erfolgreich. Das Gericht verurteilte die Krankenkasse zur Erstattung der Kosten. Zu den Aufgaben der gesetzlichen Krankenkassen gehöre auch die Herstellung und Sicherung der Schulfähigkeit. Benötige ein Schüler aufgrund einer Behinderung ein Hilfsmittel, um am Unterricht teilnehmen oder die Hausaufgaben erledigen zu können, habe die Kasse dieses Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen. Das Gericht betonte auch, dass bei Kindern ein großzügigerer Maßstab anzulegen sei. So könne deren weiterer Entwicklung Rechnung getragen werden. Daher könne die Software hier als Hilfsmittel für Behinderte bewertet werden, das der Integration diene. Das Mädchen könne auch nicht auf die Spracherkennung von Microsoft-Windows verwiesen werden, da diese jedenfalls 2016 noch nicht ausreichend entwickelt war. Das Gericht betonte, dass der Schulträger für die Versorgung nicht zuständig sei.
Informationen: www.dav-sozialrecht.de