Kein Zwang zum Heimwechsel aufgrund Behinderung
Celle/Berlin (DAV). Behinderte Pflegeheimbewohner müssen nicht gegen ihren Willen in eine Einrichtung für Menschen mit Behinderung wechseln. Wird die Unterstützung für das Pflegeheim eingestellt, übt das Sozialamt unzulässigen Druck aus. Das Rechtsportal anwaltauskunft.de informiert über eine Entscheidung des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 03. Mai 2021 (AZ: L 8 SO 47/21 B ER).
In dem Eilverfahren des 52-jährigen schwerbehinderten und pflegebedürftigen Klägers ging es um die weitere Unterstützung des Pflegeheimplatzes. Dort lebte er seit Februar 2019. Da sein Einkommen die Heimkosten nicht deckte, übernahm dies zunächst das zuständige Sozialamt. Dieses teilte dem Mann jedoch im Oktober 2020 mit, dass eine Betreuung in einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung bei seinen Einschränkungen geeigneter sei. Die derzeitige Unterstützung stellte das Sozialamt ein. Er solle stattdessen einen Antrag bei dem für Eingliederungshilfe zuständigen Landschaftsverband stellen.
Der Mann wollte aber nicht wechseln. Er fühlte sich in der bisherigen Einrichtung gut versorgt. Vielmehr befürchtete er, dass die erforderliche pflegerische Versorgung in einer anderen Einrichtung nicht ausreichend gewährleistet sei, und sich seine angegriffene Psyche verschlechtern könnte. So habe er schon mehrfach aus Überforderung Essen und Untersuchungen verweigert. Andere Behinderteneinrichtungen hätten ihn wegen des hohen Pflegebedarfs abgelehnt. Ohne die jetzt eingestellte Unterstützung des Sozialamts drohe ihm die Kündigung des Pflegeheimplatzes.
Der Mann ist gegen das Sozialamt erfolgreich. Es muss weiterhin die Unterbringung in dem Pflegeheim übernehmen. Das Gericht stellte sich auch gegen das Argument der Eingliederungshilfe für den Mann. Für dieses Recht sei die Wahrung von Menschenwürde und Selbstbestimmung von wesentlicher Bedeutung. Er könne selbst entscheiden, ob er die Leistungen der Eingliederungshilfe in Anspruch nehmen wolle. So gingen Autonomie, Eigenverantwortung und Selbstbestimmung behinderter Menschen vor vermeintlich besseren Hilfsangeboten. Auch werde der Pflegebedarf des Mannes in dem derzeit bewohnten Heim gedeckt. Deshalb habe er weiterhin Anspruch auf Übernahme der ungedeckten Heimkosten. Mit der Verweigerung der bisherigen Unterstützung habe das Sozialamt unzulässig Druck ausgeübt.
Nach Ansicht der Sozialrechtsanwälte konnte verhindert werden, dass der Mann im Zuständigkeitsmikado hängen blieb. Letztlich ging es auch um die Frage, ob das Sozialamt oder der Landschaftsverband die Kosten tragen muss. Betroffene dürfen aber deshalb nicht durch das Netz fallen.
Informationen: www.dav-sozialrecht.de