Niedergelassene Vertragsärzte können gerichtlich gegen ambulant behandelnde Krankenhäuser vorgehen
Chemnitz/Berlin. Nach Ansicht des Sächsischen Landessozialgerichts können Vertragsärzte gegen die ambulante Behandlung von Patienten in Krankenhäusern vorgehen. Als erstes Landessozialgericht hat das sächsische Gericht am 3. Juni 2010 (AZ: L 1 KR 94/10 B ER) die für das Krankenversicherungsrecht bedeutsame Rechtsfrage geklärt, ob sich niedergelassene Vertragsärzte überhaupt gegen eine behördliche Erlaubnis wenden können, die Krankenhäusern die Teilnahme an der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung ermöglicht.
In dem von der Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht mitgeteilten Fall hat sich ein als niedergelassener, vertragsärztlich tätiger Gynäkologe mit dem Schwerpunkt „gynäkologische Onkologie" gegen eine solche Genehmigung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Verbraucherschutz gewandt. Mit der Erlaubnis wurde einem großen Krankenhaus, das sich nur wenige Kilometer von seiner Praxis entfernt befindet, gestattet, Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung auf dem Gebiet der gynäkologischen Tumore ambulant zu behandeln. Gegen diesen so genannten Bestimmungsbescheid wandte sich der Arzt, da er wegen der Konkurrenz seine wirtschaftliche Existenz gefährdet sah. Das Ministerium hat daraufhin den angefochtenen Bescheid für sofort vollziehbar erklärt und so dem Krankenhaus gestattet, ihn in die Praxis umzusetzen.
Gemäß einer Regelung vom 1. April 2007 können Krankenhäuser die behördliche Zulassung zur ambulanten Behandlung erhalten. Das Gericht musste also zunächst klären, ob sich ein Vertragsarzt überhaupt gerichtlich gegen die einem Krankenhaus erteilte Erlaubnis zur ambulanten Behandlung wenden kann. Der betreffende Bescheid ist ja nicht an den Arzt gerichtet. Besondere Brisanz und erhebliche wirtschaftliche Bedeutung gewinnt der Streit deshalb, weil die Regelung den Krankenhäusern insbesondere die ambulante vertragsärztliche Behandlung von Krebserkrankungen ermöglicht. Diese war bisher den niedergelassenen Vertragsärzten vorbehalten, die in die dafür notwendige Ausstattung ihrer Praxen oftmals viel Geld investiert hatten.
Nach Ansicht des Gerichts gibt es keinen absoluten Vorrang der Versorgung durch Ärzte gegenüber der ambulanten Behandlung in Krankenhäusern. Vertragsärzte, die sich im regionalen Einzugsbereich eines zur ambulanten Leistungserbringung bestimmten Krankenhauses befinden und dieselben Leistungen anbieten, dürfen jedoch den Bescheid anfechten, um die Zulassung des Krankenhauses zu verhindern. Sie müssen dann allerdings geltend machen, in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht zu sein. Aufgrund dieses Berücksichtigungsgebots darf die regionale vertragsärztliche Versorgungssituation durch die Zulassung von Krankenhäusern zur ambulanten Behandlung nicht wesentlich beeinträchtigt werden. Der einzelne Vertragsarzt hat aber keinen Anspruch auf wirtschaftlichen Bestandsschutz oder darauf, grundsätzlich von Konkurrenten verschont zu bleiben.
Mit dieser Grundsatzentscheidung kann sich der betroffene Arzt jetzt gegen die behördliche Genehmigung zugunsten des Krankenhauses wenden.