Sozialrecht

Landwirtschaftliche Unfallversicherung: Keine Einschränkung des Versicherungsschutzes durch Freistellung

 

Landwirtschaftliche Unfallversicherung: Keine Einschränkung des Versicherungsschutzes durch Freistellung

 

München/Berlin (DAV). Ein Unfall bei Baumfällarbeiten auf der Hoffläche eines landwirtschaftlichen Betriebs kann ein versicherter Arbeitsunfall sein. Dabei kann es unerheblich sein, dass bei der Bemessung des Versicherungsbetrages nicht die gesamte Hoffläche berücksichtigt wurde. Dies entschied das Sozialgericht München am 25. August 2023 (AZ: S 1 U 5011/23), wie das Rechtsportal „anwaltauskunft.de“ entschied.

Ein Nebenerwerbs-Landwirt betreibt einen forstwirtschaftlichen Betrieb mit einer Fläche von 0,98 ha Wald und 0,34 ha Hoffläche. Für die Hoffläche besteht keine Beitragspflicht zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung. Am Unfalltag fällte der Landwirt drei Fichten auf der Hoffläche, die die Bausubstanz eines betrieblich genutzten Schuppens gefährdeten. Dabei trat er in ein unter den Ästen liegendes Kantholz und verletzte sich am Fuß.

Die beklagte landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft lehnte es ab, den Unfall als Arbeitsunfall anzuerkennen. Sie argumentierte, dass die Fichten nicht auf der versicherten Waldfläche gestanden hätten, und die Hoffläche nicht der landwirtschaftlichen Tätigkeit des Klägers zuzurechnen sei.

Das Sozialgericht München gab dem Kläger Recht. Die Hoffläche des Klägers sei als Teil seines landwirtschaftlichen Betriebes der landwirtschaftlichen Tätigkeit zuzurechnen. Die Baumfällarbeiten seien notwendig gewesen, um die Bausubstanz des betriebsdienlichen Schuppens zu erhalten. Die Beitragserhebung für die Hoffläche habe insoweit keine Bedeutung.

Informationen und eine Anwaltssuche: www.anwaltauskunft.de

Das Rechtsportal anwaltauskunft.de ist eine Leistung des Deutschen Anwaltvereins (DAV).

 

Pressemitteilung vom 19.02.2024

Unfall auf Außentreppe nach Probearbeit – Arbeitsunfall?

Stuttgart/Berlin (DAV). Ein Unfall, den ein Arbeitnehmer nach Beendigung seiner Probearbeit auf dem Weg zu seinem Fahrzeug erleidet, ist kein Arbeitsunfall. Das hat das Landessozialgericht Stuttgart am 14. März 2023 entschieden (AZ: L 9 U 911/22). Das gilt auch dann, wenn die Probezeit verlängert wurde, erläutert das Rechtsportal „anwaltauskunft.de“.

Die Klägerin hatte sich bei einem Architekturbüro um eine Stelle als Chefsekretärin beworben. Das Büro hatte sie zur Probearbeit eingeladen, die vom 11. bis 13. März 2019 stattfand. Nach Beendigung des Probearbeitsverhältnisses am 13. März 2019 vereinbarten die Klägerin und der Inhaber des Architekturbüros, dass das Probearbeitsverhältnis bis zum 15. März 2019 verlängert werden sollte. Am 15. März 2019 wollte die Klägerin auf dem Weg zu ihrem Fahrzeug auf dem Firmenparkplatz ihren Einkaufskorb verstauen. Dabei stürzte sie auf der Außentreppe des Gebäudes und verletzte sich.

Die Klägerin beantragte bei der Berufsgenossenschaft die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall. Die Berufsgenossenschaft lehnte dies ab. Das Sozialgericht Stuttgart hob den Bescheid auf und verurteilte die Berufsgenossenschaft, das Ereignis vom 15. März 2019 als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Das Landessozialgericht korrigierte die Entscheidung der Vorinstanz und wies die Klage ab. Die Klägerin sei zum Zeitpunkt des Unfalls nicht als Beschäftigte versichert gewesen. Sie habe sich auf dem Weg zu ihrem Fahrzeug nicht in Erfüllung einer Pflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis befunden.

Vielmehr sei sie zum Unfallzeitpunkt eigenwirtschaftlich tätig geworden. Sie habe ihren Einkaufskorb zu ihrem Fahrzeug bringen wollen, um ihn dort zu verstauen. Dies sei eine nicht dem Unternehmen dienende Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert gewesen.

Informationen: www.dav-sozialrecht.de

Krankenkasse muss (Zweit-)Therapiestuhl für Kindergartenbesuch stellen

Detmold/Berlin (DAV). Um die Schulfähigkeit eines Kindes zu unterstützen, muss die gesetzliche Krankenversicherung einen (Zweit-)Therapiestuhl für den Kindergartenbesuch bereitstellen. Dies hat das Sozialgericht Detmold am 05. September 2023 (AZ: S 16 KR 78/23) entschieden, wie die Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) hervorhebt. 

Ein minderjähriges Kind, das an spinaler Muskelatrophie und Skoliose leidet, war bereits mit einem Therapiestuhl für den häuslichen Bereich versorgt. Der Sohn benötigt diesen, um eine sitzende Position einnehmen zu können. Für den Besuch des Kindergartens war ein zweiter Stuhl erforderlich. Die Krankenkasse hatte den Antrag auf Versorgung mit einem Therapiestuhl für den Kindergartenbesuch an den Träger der Eingliederungshilfe weitergeleitet. Sie begründete dies damit, dass sie bereits die Versorgung mit einem Therapiestuhl für den häuslichen Bereich übernommen habe.

Das Gericht verpflichtete die gesetzliche Krankenversicherung, die Kosten für den (zweiten) Therapiestuhl zu übernehmen. Es begründete dies damit, dass der Besuch des Kindergartens wesentlich zur Herstellung der Schulfähigkeit beitrage und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens darstelle. Zuständig sei der Träger der medizinischen Rehabilitation, also die gesetzliche Krankenversicherung.

Informationen: www.dav-sozialrecht.de

Sozialversicherungspflicht für Ärztin in Kurklinik

Neustrelitz/Berlin (DAV). Eine Ärztin, die im Rahmen eines Honorarvertrags für eine Kurklinik arbeitet, muss Beiträge zur gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung zahlen. Dies hat das Landessozialgericht (LSG) Mecklenburg-Vorpommern am 22. Juni 2023 (AZ: L 4 BA 1/19) entschieden, wie die Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert.

Die Ärztin war in der Kurklinik alle drei Wochen an drei Tagen für die Aufnahmegespräche eingeteilt. Sie übernahm bei freien zeitlichen Kapazitäten auch Krankheits- und Urlaubsvertretungen. Die Klägerin, die der Ärztin ein Stundenhonorar von 65 Euro gezahlt hatte, argumentierte, dass die Ärztin aufgrund des Honorarvertrags keine abhängige Beschäftigung, sondern eine selbstständige Tätigkeit ausübe.

Das LSG wies die Klage ab. Die Ärztin sei – bezogen auf die jeweiligen Einzeleinsätze – in die betrieblichen Abläufe der Kurklinik zeitlich und organisatorisch eingegliedert gewesen. Die Art der Tätigkeit sei der Ärztin vorgegeben und erstrecke sich auf das Vorbereiten und Durchführen von Aufnahmegesprächen, bei Bedarf auf sozialmedizinische Gespräche sowie auf die Vertretung angestellter Ärzte. In zeitlicher Hinsicht sei die Ärztin nicht verpflichtet gewesen, ihre Tätigkeit jederzeit zu unterbrechen, sondern die ihr zugewiesenen Aufgaben zu erledigen.

Damit habe die Ärztin keine selbstständige Tätigkeit ausgeübt. Sie habe auch kein prägendes Risiko getragen. Sie habe ausschließlich die von der Klägerin finanzierte Infrastruktur genutzt und die ärztlichen Leistungen arbeitsteilig mit dem ärztlichen und nichtärztlichen Personal der Klägerin erbracht. Direkte vertragliche Beziehungen der Ärztin bestanden weder zu den Patienten noch zu den Kostenträgern. Die von der Ärztin erzielte Vergütung in Höhe von 65 Euro pro Stunde liege in einem Bereich, der in etwa den Kosten eines Arbeitgebers für eine festangestellte Ärztin entspreche.

Die Beitragspflicht zu den Sozialversicherungen blieb bestehen.

PTBS eines Leichenumbetters ist nicht "wie eine Berufskrankheit" anzusehen

Berlin (DAV). Eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) eines Leichenumbetters ist nicht als sogenannte "Wie-Berufskrankheit" anerkannt. Dies entschied das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg am 27. April 2023 (AZ; L 21 U 231/19). Damit hat der Kläger keinen Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung, erläutert das Rechtsportal „anwaltauskunft.de“.

Der Kläger, geboren 1963, war von 1993 bis 2005 als Leichenumbetter beim Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. tätig. Er war in Mittel- und Osteuropa im Einsatz und verantwortlich für die Exhumierung und Identifizierung von Weltkriegstoten sowie von Toten der Jugoslawienkriege der 1990er Jahre. Seit 2005 war er aufgrund von Arbeitsunfähigkeit erkrankt und machte geltend, dass diese auf seine berufliche Tätigkeit zurückzuführen sei.

Die Berufsgenossenschaft verneinte den Anspruch des Klägers, seine Erkrankung einer Berufskrankheit gleichzustellen. Psychische Erkrankungen wie die PTBS seien nicht in der Liste der Berufskrankheiten aufgeführt.

Das Sozialgericht Potsdam folgte dieser Ansicht, eine Entscheidung, die nun vom Landessozialgericht bestätigt wurde.

Das Gericht betonte, dass die PTBS als Folge eines extrem bedrohlichen oder entsetzlichen Ereignisses oder einer Reihe solcher Ereignisse zu sehen sei. Dabei sei nicht die Berufsbezeichnung ausschlaggebend, sondern die konkreten Einwirkungen im Beruf. Zudem gäbe es laut dem Gericht keine wissenschaftlichen Belege für einen Zusammenhang zwischen den Tätigkeiten eines Leichenumbetters und der PTBS. Dass die Arbeit belastend sein kann, genüge nicht für eine Anerkennung "wie eine Berufskrankheit".

Informationen und eine Anwaltssuche: www.anwaltauskunft.de

Keine erneute Belehrungspflicht bei unveränderter Leistung

Bremen/Berlin (DAV). Bei der Fortsetzung der Unterstützung eines Jugendlichen als Hilfe für junge Volljährige ist keine erneute Belehrung über die Kostenbeteiligungspflicht erforderlich. Dies entschied das Verwaltungsgericht Bremen am 22. Mai 2023 (AZ: 3 K 1117/21). Dies betrifft auch die Aufklärung über die Folgen für die Unterhaltspflicht des Elternteils, erläutert die Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV).

Der Fall drehte sich um einen Vater, dessen Sohn seit November 2015 in einer Einrichtung der Jugendhilfe lebte. Als der Sohn volljährig wurde, beantragte er die Fortsetzung der Hilfe. Der Vater wurde dann zu einer monatlichen Zahlung von 50 Euro für die Kosten der Hilfe herangezogen. Nachfolgend erfolgten verschiedene Anpassungen und Änderungen der Kostenbeteiligung, gegen die der Vater Widerspruch einlegte.

Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass bei einer Fortsetzung der Unterstützung in unveränderter Form über die Volljährigkeit hinaus keine erneute Belehrung erforderlich ist. Der Vater war bereits mit Schreiben vom 16. November 2015 ordnungsgemäß über die Kostenbeteiligung informiert worden.

Das Gericht merkte auch an, dass die Rechtmäßigkeit der Leistungsgewährung nicht zwingend Voraussetzung für die Erhebung eines Kostenbeitrages sei. In diesem Fall ergaben sich für das Gericht keine Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit der an den Sohn des Klägers gewährten Hilfeleistung.

Der Vater hatte bemängelt, dass er nicht mit einer rückwirkenden Erhöhung der Kostenbeteiligung rechnen musste. Das Gericht stellte jedoch fest, dass eine rechtlich verbindliche Zusage zur Beibehaltung des alten Betrags nicht vorlag. Daher war die nachträgliche Anpassung rechtmäßig.

Informationen: www.dav-sozialrecht.de

Kosten für das Mittagessen in Werkstätten für Behinderte sind nicht Teil der Eingliederungshilfe

Stuttgart/Berlin (DAV). Das Mittagessen in Einrichtungen ist kein Bestandteil der Eingliederungshilfeleistungen. Soweit die Kosten des Mittagessens die Höhe des Mehrbedarfs nicht übersteigen, sind sie von der Pauschale gedeckt. Nur so weit die Kosten für die Herstellung und Bereitstellung hierdurch nicht gedeckt werden, sind sie der Eingliederungshilfe zugeordnet. Die Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über ein Urteil des Landessozialgerichts Stuttgart vom 17. März 2022 (AZ: L 7 SO 4143/20).

Bei dem Kläger liegt ein Down-Syndrom vor. Er lebt auf Kosten des zuständigen beklagten Trägers der Eingliederungshilfe mit seiner Ehefrau in einer Einrichtung des Ambulant-betreuten-Wohnens. Er verlangte die Rückerstattung der Kosten für gemeinschaftliches Essen in einer Werkstatt für behinderte Menschen i.H.v. 64,60 Euro monatlich ab 01.01.2020, die der Kläger selbst getragen hatte.

Die Klage wurde abgewiesen. Das Landessozialgericht argumentierte, dass das Mittagessen nur dann der Eingliederungshilfe zuzuordnen sei, wenn die Kosten für die Herstellung und Bereitstellung durch die vorgesehene Pauschale nicht gedeckt seien. Dies sei hier aber der Fall.

Das Urteil könnte weitreichende Auswirkungen für die Praxis haben, so die DAV-Sozialrechtsanwält:innen. Sollten Mehrkosten, die über die Pauschale hinausgehen, entstehen, könnten diese durch eine Erhöhung des Regelbedarfs ausgeglichen werden. Darüber hinaus ist unklar, wie in Zukunft mit Abwesenheitstagen umgegangen wird, und wie die Formulierung "Arbeitstage" ausgelegt wird. Dies ist besonders relevant für die Berechnung der Pauschale.

Informationen: www.dav-sozialrecht.de

Gebärdendolmetscher für gehörlose Schülerin

Stuttgart/Berlin (DAV). Ein gehörloses Kind hat auch in einer Schule für gehörlose und höreingeschränkte Schüler Anspruch auf Unterstützung durch einen Gebärdendolmetscher. Diese Assistenz ist dann Aufgabe der Eingliederungshilfe, in der Regel der Jugend- bzw. Sozialhilfe, und nicht der Schule. Die Schule ist hingegen für die Vermittlung des nach dem jeweiligen Bildungsplan vorgegebenen Lehrstoffs verantwortlich. Die Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über eine Entscheidung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 1. März 2023 (AZ: L 2 SO 204/23 ER-B).

Die 13-jährige gehörlose Schülerin besucht ein Sonderpädagogisches Bildungs- und Beratungszentrum mit Förderschwerpunkt Hören. Sie kommuniziert in der Deutschen Gebärdensprache (DGS). Allerdings sind nicht alle Lehrkräfte in ihrer Schule gleichermaßen gebärdenkompetent, häufig wird die Schülerin nicht verstanden. Hinzu kommt, dass die Lehrkräfte ihre eigenen lautsprachlichen Äußerungen und ggf. auch lautsprachliche Äußerungen der Mitschüler in DGS übersetzen müssen, damit die Antragstellerin sie versteht. Eine solche Doppelrolle als Gesprächsführer und Dolmetscher verzögert den Unterrichtsverlauf. Daher wurden lautsprachliche Äußerungen für die Antragstellerin nur zusammengefasst wiedergegeben. Dies erschwerte ihre Teilnahme am Unterricht.

Die Schülerin beantragte die Unterstützung durch einen Gebärdendolmetscher im Wege der Eingliederungshilfe.

Mit Erfolg: Das Landessozialgericht verpflichtete in einem Eilverfahren den Landkreis Reutlingen, ihr vorläufig 16 Stunden Assistenz durch einen Gebärdendolmetscher wöchentlich (zu einem voraussichtlichen Stundensatz von € 85,00) zu gewähren.

Die Übertragung lautsprachlicher Äußerungen, insbesondere anderer Schüler, durch einen Gebärdendolmetscher sei eine Aufgabe der Eingliederungshilfe und nicht der Schule. Das Dolmetschen gehöre nicht zum pädagogischen Kernbereich, der Wissensvermittlung, sondern sichere die eigentliche Arbeit der Lehrkraft nur ab. Es könne letztlich auch nicht verlangt werden, dass andere Schüler für die Antragstellerin dolmetschten.

Informationen: www.dav-sozialrecht.de

Ärztehotline: Sozialversicherungspflicht im Homeoffice

Celle/Berlin (DAV). Arbeiten Ärzte für eine Beratungshotline, liegt auch dann eine abhängige Beschäftigung vor, wenn sie die Bereitschaftsdienste im Homeoffice wahrnehmen. Auch wenn eine ärztliche Eigenverantwortung im Rahmen der Behandlung vorliegt, ist die Tätigkeit sozialversicherungspflichtig. Die Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über eine Entscheidung des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 20. Februar 2023 (AZ: L 2/12 BA 17/20).

Eine Rettungsmedizinerin kooperierte mit einem Unternehmen im Rahmen einer ärztlichen Notfallhotline für Taucher. Die Beratung per Hotline ist Teil des Unterstützungspakets einer Reise- und Auslandskrankenversicherung. Damit die Hotline ständig erreichbar ist, werden aus einem Pool jeweils zwei Ärzte pro Schicht eingeteilt. Ihre Tätigkeit üben sie dann meist aus ihrer häuslichen Umgebung (Homeoffice) aus. Dabei beantworten sie telefonische Kundenanfragen und können ggf. eine Behandlungskoordination übernehmen.

In einem Statusfeststellungsverfahren stufte die Deutsche Rentenversicherung (DRV) die Ärztin als abhängig beschäftigt ein. Das sahen das Unternehmen und die Ärztin anders; sie gingen von einer selbständigen Tätigkeit aus. Schließlich gebe es keine Verpflichtung zu Bereitschaftsdiensten. Die Telefonate habe sie überall führen können, wo eine ruhige Gesprächssituation gegeben sei. Die Intensität der Beratungen habe sie völlig frei gestalten können.

Das Landessozialgericht wies die Klage ab und bestätigte die DRV. Die Ärztin sei verpflichtet gewesen, unter dem Dach eines Rahmenvertrags für die Dauer der zugeteilten Schichten erreichbar zu sein. Auch habe sie die wirtschaftlichen Vorgaben des Unternehmens beachten müssen. Aus der ärztlichen Eigenverantwortung bei Heilbehandlungen könne nicht ohne Weiteres auf eine selbständige Tätigkeit geschlossen werden. Dadurch werde sie noch nicht zur Unternehmerin.

Auch die Tätigkeit im Homeoffice ließ das Gericht zu keiner anderen Bewertung kommen: „In Anbetracht der vielfältigen heutigen Möglichkeiten zur Arbeit im Homeoffice ist dies kein taugliches Abgrenzungskriterium mehr“. Bei abhängigen Tätigkeiten bestünden gerade im Homeoffice grundsätzlich weitgehende Freiheiten bei der Festlegung der Arbeitszeiten.

Informationen: www.dav-sozialrecht.de

„Hartz-IV“: Mietvertrag für Zimmer im Haus der Eltern - Keine höheren Unterkunftskosten

Osnabrück/Berlin (DAV). Schließt eine 15-jährige Schwangere mit ihrer Mutter einen Mietvertrag für ein Zimmer im elterliches Haus, ist dies schon unüblich, und es könnte ein sogenanntes „Scheingeschäft“ vorliegen. Dann muss das Jobcenter die Miete nicht an die Mutter zahlen. Ist der Mietvertrag auch noch ungültig, ist klar, dass das Jobcenter nicht verpflichtet ist, die vereinbarte Miete der Tochter zu übernehmen. Dies entschied das Sozialgericht Osnabrück am 25. August 2022 (AZ: S 16 AS 212/22 ER), wie das Rechtsportal „anwaltauskunft.de“ mitteilt. Allerdings erhielt die Tochter Leistungen für ihren Anteil an den Heiz- und Betriebskosten.

Die 15-jährige Antragstellerin (im Verfahren vertreten durch ihre Eltern) wohnt gemeinsam mit ihren Eltern und ihrer Schwester in einem Einfamilienhaus der Eltern mit einer Wohnfläche von 151 m². Beim Jobcenter beantragte sie Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende („Hartz IV“) und verwies darauf, dass sie schwanger sei. Sie fügte einen Mietvertrag zwischen Mutter und Tochter (diese vertreten durch ihren Vater) bei, der auf den Tag der Antragstellung datiert war. Demnach wurde der Tochter ein 23 m² großes Zimmer des Einfamilienhauses sowie Küche und Bad zur Mitbenutzung zu einem Mietzins von 280,00 € zuzüglich Nebenkostenpauschale in Höhe von 100,00 € monatlich vermietet.

Das Jobcenter bewilligte der Tochter Grundsicherungsleistungen. Als Kosten der Unterkunft berücksichtigte es aber lediglich deren Anteil an den Betriebs- und Heizkosten des Hauses in Höhe von 102,00 € monatlich. Den Mietvertrag hielt die Behörde für rechtlich unwirksam. Demgegenüber machte die 15-Jährige geltend, dass der Mietvertrag wirksam sei. Es komme letztlich auch nicht auf die Wirksamkeit des Mietvertrages nach mietrechtlichen Vorschriften an.

Das sah das Sozialgericht anders und bestätigte die Entscheidung des Jobcenters. Der Tochter stünden keine höheren Unterkunftskosten zu. Dabei ließ es das Gericht offen, ob ein sogenanntes Scheingeschäft vorlag. Allerdings wies es dennoch auf die besonderen Umstände hin: Es sei unüblich, dass Eltern mit ihrer 15-jährigen Tochter einen Mietvertrag abschließen. Zudem wurde erst nach Kenntnis von der Schwangerschaft der schriftliche Vertrag geschlossen, auch sei die Miete vergleichsweise hoch. Bereits im Vertrag wurde eine Zahlung durch das Jobcenter vereinbart. Daher liege es nahe, dass der Vertrag vorrangig geschlossen worden sei, um Leistungen zu erlangen.

Allerdings sei schon der Mietvertrag an sich ungültig. So sei schon zweifelhaft, ob allein die Mutter den Mietvertrag schließen konnte, da das Haus im gemeinsamen Eigentum der Eltern stand. Der Mietvertrag sei aber insbesondere aufgrund der Minderjährigkeit der Tochter unwirksam, und der Vater habe die Tochter zumindest bei einem Vertrag mit seiner Ehefrau nicht wirksam vertreten können.

Informationen und eine Anwaltssuche: www.anwaltauskunft.de