Familienrecht
Gericht entscheidet gegen Kinderschutzmaßnahmen – kein Beschwerderecht
Frankfurt a. M./Berlin (DAV). Regt ein Elternteil ein Verfahren zur Überprüfung einer Gefährdung des Kindeswohls an und entscheidet das Gericht sich gegen kinderschutzrechtliche Maßnahmen, hat der Elternteil nicht das Recht, Beschwerde einzulegen. Über eine entsprechende Entscheidung des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 22. März 2024 (AZ: 1 UF 152/23) informiert die Arbeitsgemeinschaft Familienrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV). |
Unbegleiteter Jugendlicher – Vormundschaft des Jugendamts
Hamm/Berlin (DAV). Reist ein minderjähriger Flüchtling allein nach Deutschland ein und können die Eltern aus der Ferne nicht ihr Sorgerecht ausüben, ist für ihn ein Vormund zu bestellen. Darüber informiert die Arbeitsgemeinschaft Familienrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mit Verweis auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm vom 28. November 2023 (AZ: 4 UF 108/23). |
Versorgungsausgleich: Anordnung des Gerichts muss verständlich sein
Karlsruhe/Berlin (DAV). An der Durchführung eines Versorgungsausgleichs müssen beide Partner mitwirken. Haben sie fehlende Informationen beizubringen, muss das Gericht dies eindeutig und verständlich mitteilen. Über eine entsprechende Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 31. Mai 2023 (AZ: 20 WF 76/23) berichtet die Arbeitsgemeinschaft Familienrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV). |
Sorgerechtsentscheidung: Beschwerde der minderjährigen Mutter
Frankfurt a. M./Berlin (DAV). Auch ein minderjähriger Elternteil kann Beschwerde gegen eine Gerichtsentscheidung einlegen, die das Sorgerecht betrifft. Über eine entsprechende Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 23. Februar 2023 (AZ: 4 UF 162/22) informiert die Arbeitsgemeinschaft Familienrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV). |
Leihmutterschaft: Wunscheltern als Eltern anerkannt
Sinsheim/Berlin (DAV). Ein Ehepaar, das durch eine von einer amerikanischen Leihmutter ausgetragene Embryonenspende Eltern geworden war, hat die Anerkennung ihrer Elternschaft in Deutschland erreicht. Über die Entscheidung des Amtsgerichts Sinsheim vom 15. Mai 2023 (AZ: 20 F 278/22) informiert die Arbeitsgemeinschaft Familienrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV).
Das Ehepaar mit unerfülltem Kinderwunsch hatte eine kalifornische Leihmutter gefunden, die die Embryonenspende einer anonymen Spenderfamilie austrug.
Ein kalifornisches Gericht bestätigte, dass das Ehepaar als die natürlichen und rechtlichen Eltern des Kinds zu gelten hätten.
In Deutschland strebte das Ehepaar die Anerkennung dieser ausländischen Entscheidung über ihre Elternschaft an. Es hatte nicht den Weg über die Adoption im Ausland oder die Vaterschaftsanerkennung und nachfolgende Stiefkindadoption in Deutschland gewählt, sondern wollte die Anerkennung ihrer gemeinsamen Elternschaft von Anfang an erreichen.
Mit Erfolg. Zwar stütze das deutsche Recht die Elternschaft nur auf Abstammung oder Adoption, nicht aber auf vertragliche Vereinbarungen. Verträge über eine Leihmutterschaft seien verboten. Trotzdem sei es noch kein Verstoß gegen deutsche Rechtsgrundsätze, wenn eine ausländische Entscheidung zur Leihmutterschaft den Wunsch- oder Bestelleltern die rechtliche Elternstellung zuweise. Für die Anerkennung Leihmutterentscheidung sei vielmehr das Kindeswohl entscheidend. Das umfasse auch ein Recht des Kinds auf rechtliche Zuordnung zu beiden Eltern.
Die Wunscheltern nähmen die Elternstellung ein und wollten dem Kind die nötige Zuwendung geben. Nach diesen Grundsätzen spreche also aus Kindeswohlgründen viel dafür, die ausländische Entscheidung anzuerkennen.
Die Grundsätze seien allerdings bisher davon ausgegangen, dass zumindest ein Wunschelternteil mit dem Kind genetisch verwandt sei. Das sei hier nicht der Fall.
Stelle man aber auch in einem Fall wie dem vorliegenden – Anerkennung der Elternschaft ohne genetische Verwandtschaft mit dem Kind – das Kindeswohl in den Mittelpunkt, komme man in der Regel zu dem Ergebnis, die Entscheidung anzuerkennen. Man könne davon ausgehen, dass die Wunscheltern sich wahrscheinlich stets gut um das Wunschkind kümmern und über ausreichende Mittel verfügten, um es gut zu erziehen und zu fördern.
Allerdings sei hier eine intensivere Prüfung des Sachverhalts notwendig. Diese umfasse
- Bestellung eines Ergänzungspflegers
- Stellungnahme des Jugendamtes
- Befragung der zentralen Adoptionsvermittlungsstelle oder einer anderen geeigneten Behörde zu den Verhältnissen im Herkunftsland
- persönliche Anhörung der Wunscheltern und des Kinds (bzw. dessen Wahrnehmung)
Information: www.dav-familienrecht.de
Elternteil ohne Sorgerecht kann gegen Entscheidung über Vormundschaft Beschwerde einlegen
Braunschweig /Berlin (DAV). Auch nach dem Verlust des Sorgerechts kann ein Elternteil Beschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung über die Vormundschaft einlegen. Auf diese Entscheidung des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 17. März 2023 (AZ: 1 UF 2/23) weist die Arbeitsgemeinschaft Familienrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) hin. |
Kein Teilentzug des Sorgerechts bei Ablehnung von Bluttransfusionen
Berlin (DAV). Die Ablehnung von Bluttransfusionen aus religiösen Gründen rechtfertigt nicht den teilweisen Entzug des elterlichen Sorgerechts. Das entschied das Kammergericht Berlin am 5. September 2022 (AZ: 16 UF 64/22), wie die Arbeitsgemeinschaft Familienrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) berichtet.
Der Vater wollte erreichen, dass er allein für seinen Sohn würde entscheiden könne, wenn es um die Frage einer Bluttransfusion ginge. Die Mutter des Jungen, von der der Mann getrennt lebt, lehnte als Zeugin Jehovas Bluttransfusionen grundsätzlich ab.
Vor Gericht hatte der Mann keinen Erfolg. Es gehe ihm nicht um die Regelung einer konkreten Entscheidung, vielmehr wolle er erreichen, grundsätzlich allein entscheiden zu können. Damit betreffe es keinen Einzelfall, sondern
einen Teilbereich der elterlichen Sorge. Dieser wäre aus dem gemeinsamen Sorgerecht der Eltern insgesamt herauszulösen und auf den Vater zu übertragen. Die Richter waren jedoch der Ansicht, dass das dem Wohl des Kinds nicht am besten entspreche.
Nur weil die Mutter Bluttransfusionen ablehne, heiße das nicht, dass sie auf Kosten der Gesundheit oder des Lebens ihres Kinds gegen eine Bluttransfusion entscheiden würde. Der Sohn gehöre nicht den Zeugen Jehovas an, weswegen deren strenge Regeln für ihn nicht gelten würden.
Würde die Mutter in einem konkreten Notfall ihre Zustimmung verweigern, müsste das Familiengericht eingeschaltet werden. Es stünde dann eine missbräuchliche Ausübung des elterlichen Sorgerechts im Raum. Sollte die Situation hierfür keine Zeit lassen, läge ein Notfall vor. Der Arzt sei dann verpflichtet, das Leben und die Gesundheit des Kinds durch medizinisch notwendige Maßnahmen zu schützen, auch wenn es keinen gerichtlichen Ersatz der elterlichen Einwilligung gebe.
Information: www.dav-familienrecht.de
Versorgungsausgleich trotz Straftat
Bamberg/Berlin (DAV). Ein Versorgungsausgleich kann auch dann durchgeführt werden, wenn ein Ehepartner durch eine Straftat des anderen ausgleichspflichtig geworden ist. Auf eine entsprechende Entscheidung des Oberlandesgerichts Bamberg vom 08. August 2022 (AZ: 7 UF 99/22) weist die Arbeitsgemeinschaft Familienrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) hin.
Bei der Scheidung wehrte sich die Ehefrau gegen die Durchführung des Versorgungsausgleichs. Sie war der Meinung, ihr Mann hätte erheblich höhere Anwartschaften beim Landesamt für Finanzen, wäre er nicht straffällig geworden. Dadurch sei sie ausgleichspflichtig geworden. Ihrem Mann müsse bewusst gewesen sein, dass er sie durch sein Verhalten massiv schädige.
Ihr Mann hatte als Beamter jahrelang systematisch Akten und Aktenteile versteckt und sie so der Bearbeitung entzogen. 2013 wurde er zu einer Freiheitsstrafe mit Bewährung verurteilt. Er wurde aus dem Beamtenverhältnis entlassen und in der gesetzlichen Rentenversicherung nachversichert.
Das Gericht lehnte einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs ab. Es konnte nicht erkennen, dass der Mann die Straftaten (auch) beging, um seine Frau in irgendeiner Form zu benachteiligen, auch weil sich das Ehepaar erst einige Jahre später trennte.
Die Richter hätten seinerzeit festgestellt, dass das Fehlverhalten des Manns mindestens zum Teil krankheitsbedingt gewesen sei. Berücksichtige man dies, widerspreche die Durchführung des Versorgungsausgleichs keineswegs dem gesetzlichen Grundgedanken. Die Frau sei an der negativen Karriereentwicklung ihres Mannes genauso beteiligt, wie sie von einer positiven Entwicklung seiner beruflichen Laufbahn profitiert hätte.
Nutzungsentschädigung für Ehewohnung – Nachweis erforderlich
Karlsruhe/Berlin (DAV). Macht ein Ehepartner nach der Trennung einen Anspruch auf Nutzungsentschädigung für die ehemalige gemeinsame Wohnung geltend, muss er beweisen können, dass der andere diese auch tatsächlich genutzt hat. Darauf macht die Arbeitsgemeinschaft Familienrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mit Blick auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Brandenburg vom 13. März 2023 (AZ: 13 UF 83/20) aufmerksam.
Nach der Trennung zog die Frau aus dem Haus, dass ihr und ihrem Mann gemeinsam gehörte. Von ihrem Ex-Partner verlangte sie für die Zeit des Getrenntlebens eine Nutzungsentschädigung für das Haus.
Der Mann hatte seiner Frau den hälftigen Miteigentumsanteil an dem gemeinsam bewohnten Grundstück geschenkt. Bebaut war das Grundstück mit zwei Einfamilienhäusern. Im größeren Vorderhaus lebte das Paar bis zur Trennung. Nach Angaben der Frau nutzte der Mann nach ihrem Auszug das gesamte Grundstück sowie das vordere Haus, in dem er sein Büro unterhalte.
Die Frau hat keinen Anspruch auf Nutzungsentschädigung. In der Tat könne zwar derjenige Ehepartner, der dem anderen die Ehewohnung überlassen habe, von diesem eine Vergütung für die Nutzung verlangen. Im vorliegenden Fall könne die Frau jedoch nicht den Nachweis erbringen, dass ihr Ex-Partner das Haus in der in Frage stehenden Zeit genutzt hat. Eine Nutzungsentschädigung sei jedoch nur dann zu zahlen, wenn der eine Ehepartner nachweisen könne, dass der andere die Ehewohnung nach der Trennung auch tatsächlich genutzt habe.
Information: www.dav-familienrecht.de
Kindertagespflege: Verlust der Erlaubnis wegen fehlender persönlicher Betreuung
Karlsruhe/Berlin (DAV). In der Kindertagespflege ist die höchstpersönliche Betreuung des jeweiligen Kinds durch eine bestimmte Betreuungskraft vorgeschrieben. Halten sich Tagespflegekräfte nicht daran, kann dies den Entzug der Erlaubnis zur Ausübung der Kindertagespflege nach sich ziehen. Über eine entsprechende Entscheidung des Verwaltungsgericht Hannover vom 14. März 2023 (AZ des Klageverfahrens: 3 A 1393/23; AZ des Eilverfahrens: 3 B 1394/23) informiert die Arbeitsgemeinschaft Familienrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV).
Die Frau betrieb gemeinsam mit ihrem Mann und mehreren angestellten Tagespflegekräften drei sogenannte Großtagespflegestellen. Hier wurden Kinder, die älter als ein Jahr waren, betreut. Das Ehepaar und die Mitarbeiter waren als Kindertagespflegekräfte geschult, besaßen jedoch keine Qualifikation als pädagogische Fachkräfte.
Bei Überprüfungen vor Ort stellte das Jugendamt fest, dass bei einigen Tagespflegekräften die zulässige Höchstzahl gleichzeitig betreuter Kinder überschritten war. Außerdem hatte die Betreiberin ein Kind zeitweise ihrer minderjährigen Tochter zur Betreuung überlassen. Gegen den Entzug der Erlaubnis zur Ausübung der Kindertagespflege wehrte sich die Frau vor Gericht.
Ohne Erfolg. Die Frau habe tatsächlich gar nicht drei eigenständige Großtagespflegestellen betrieben, sondern es habe sich faktisch um eine Kindertagesstätte gehandelt. Für die Leitung einer solchen Einrichtung habe die Frau jedoch nicht die erforderliche fachliche Qualifikation.
Prägend für die Kindertagespflege sei die höchstpersönliche Betreuung des jeweiligen Kinds durch eine bestimmte Betreuungskraft. Das sei hier nicht eingehalten worden. Insbesondere in Randzeiten habe häufig eine andere als die zugewiesene Betreuungskraft die Betreuung übernommen habe. Hinzu komme der Einsatz der minderjährigen Tochter als Aufsichtsperson für ein Kind und die Tatsache, dass die Höchstzahl der gleichzeitig betreuten Kinder überschritten worden sei.
Darüber hinaus zeige die Frau eine mangelnde Einsicht in die Rechtswidrigkeit dieser Umstände. Die Rechtsverstöße und ihre Haltung dazu stellen eine abstrakte Kindeswohlgefährdung dar, betonte das Gericht.