Verkehrsrecht

Wer trägt die zusätzlichen Desinfektionskosten in der Werkstatt?

Würzburg/Berlin (DAV). Verursacher eines Unfalls müssen auch die Kosten für die Corona-Desinfektion in der Werkstatt übernehmen. Sie gehören zu den Kosten, die auf den Unfall zurückzuführen sind. Aber sie können nur einmal geltend gemacht werden. Die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über eine Entscheidung des Landgerichts Würzburg vom 24. März 2021 (AZ: 42 S 2276/20).

Nach einem Verkehrsunfall war die Schuldfrage klar. Die Geschädigte ließ ihr Fahrzeug auf Gutachtenbasis in einer Werkstatt reparieren. In der Werkstattrechnung waren wegen der Corona-Pandemie Desinfektionskosten in Höhe von 80,52 € netto („Fahrzeugdesinfektion“, „Mitarbeiter“) und 65 € netto („Fahrzeugdesinfektion vor Reparaturbeginn und vor Fahrzeugrückgabe“) enthalten. Die gegnerische Versicherung strich diese Schadenspositionen.

Die Klage auf Erstattung auch dieser Positionen war teilweise erfolgreich. Die Desinfektion von Fahrzeugen ordnete das Gericht als klassische Unfallfolge ein. Dies sei auch notwendig, wie Vorbehalte gegenüber Mietwagen zeigen würden. Obwohl die Fahrzeuge desinfiziert werden, sei es 2020 zu einem hohen Umsatzeinbruch gekommen. Dies zeige, mit welchen offenkundigen Vorbehalten man Fahrzeugen begegne, in denen andere Menschen gesessen hätten. Es komme auch nicht darauf an, ob es sich bei der Desinfektion um Arbeitsschutzmaßnahmen gehandelt habe. Die Notwendigkeit der Desinfektion sei evident.

Allerdings sprach das Gericht lediglich einmalige Corona-Mehrkosten von 80,52 € zu, nicht jedoch die 65 €. Die Kosten dürften nur einmal geltend gemacht werden.

 

Auf Parkplatzauffahrt zurückgesetzt – volle Haftung

Buxtehude/Berlin (DAV). Wer auf einer Parkplatzauffahrt zurücksetzt, haftet beim Unfall allein. Dies entschied das Amtsgericht Buxtehude am 7. Mai 2021 (AZ: 31 C 44/21). Wenn das hintere Fahrzeug bereits stand, entfällt auch dessen Betriebsgefahr, erläutert die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV).

Auf einer Parkplatzauffahrt standen zwei Fahrzeuge hintereinander -  der spätere Kläger hinter der Beklagten. Der Kläger verlangte Schadensersatz in Höhe von gut 1.100 €. Die Beklagte im Wagen vor ihm habe plötzlich den Rückwärtsgang einlegt und sei auf sein zwei Meter dahinter stehendes Fahrzeug aufgefahren. Die Beklagte behauptete im schriftlichen Verfahren hingegen, dass der Kläger ihr aufgefahren sei.

Da es nun zwei verschiedene Versionen des Unfallhergangs gab, bat das Gericht sowohl den Kläger als auch die Beklagte um persönliches Erscheinen in der Verhandlung. Jedoch erschien nur der Kläger vor Gericht, nicht jedoch die Beklagte.

Der Kläger überzeugte das Gericht mit seiner Version. Daher bekam er den Schadensersatz voll umfänglich zugesprochen. Im Rahmen der Anhörung hatte „der Kläger einen sachlichen, zurückhaltenden und insgesamt glaubhaften Eindruck hinterlassen. Die vom Kläger wiedergegebene Unfalldarstellung wirkte erlebnisbasiert“, so das Gericht. Auch weil die Beklagte nicht persönlich erschienen war, war das Gericht von der Schilderung des Klägers des Geschehens überzeugt. Daher gab es den vollen Schadensersatz. Ein Abzug aufgrund der Betriebsgefahr des Wagens des Klägers kam nicht in Betracht. Es habe zum Unfallzeitpunkt bereits gestanden, daher sei von dem Auto nur eine geringe Gefahr ausgegangen. Außerdem läge das Verschulden ausschließlich bei der Beklagten.

Der Tipp von den DAV-Verkehrsrechtsanwälten: Bei Termin vor Gericht immer persönlich erscheinen! Im Zivilprozess gilt nicht Aussage gegen Aussage, sondern das Gericht kann einer Partei oder Zeugen mehr glauben als einer anderen.

 

Mithaftung bei unzureichend gesicherter Ladung

 

Karlsruhe/Berlin (DAV). Wer auf der Straße ein Wendemanöver durchführt, darf andere nicht gefährden. Muss ein Lkw scharf abbremsen und verrutscht dabei die Ladung, muss der Wendende Schadensersatz zahlen. Wenn die verrutschte Ladung den Laderaum nur deshalb beschädigte, weil sie nicht ausreichend gesichert war konnte, reduziert sich der Schadensersatz auf ein Drittel. Die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 20. April 2021 (AZ: 9 U 66/19).

Der Beklagte fuhr mit seinem Pkw auf einer Bundesstraße. Er leitete, nachdem er kurz rechts hielt, ein Wendemanöver ein. Der dahinter fahrende Lkw musste eine Vollbremsung durchführen. Dabei verrutscht seine Ladung und stieß im Laderaum gegen die Stirnwand. Im Laderaum befanden sich schwere Metallteile. Daher wurde die Stirnwand des Laderaums erheblich beschädigt. 

Das Landgericht hatte die Klage noch gänzlich abgewiesen, beim Oberlandesgericht bekam der Halter des Lkw aber teilweise Recht. Ursächlich für die scharfe Bremsung sei der Pkw-Fahrer gewesen. Er habe damit einen Verkehrsverstoß begangen, so das Gericht. Zur Beschädigung der Stirnwand sei es allerdings nur deshalb gekommen, weil die Ladung unzureichend gesichert war. Auch wenn der Absender der transportierten Güter für die Verpackung mit Folien auf Paletten gesorgt hatte, ist für die Ladungssicherung der Lkw-Fahrer verantwortlich. Daher beschränke sich die Haftung des Pkw-Fahrers auf ein Drittel des Schadens.

Informationen: www.verkehrsrecht.de

Einfädeln bei Stau auf der Autobahn

Celle/Berlin (DAV). Auch bei einem Stau auf der Autobahn hat der Verkehr auf der Fahrbahn Vorrang. Wer sich einfädeln möchte, muss im Zweifel warten. Tut er dies nicht, haftet der Einfahrende bei einem Unfall. Die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über eine Entscheidung des Oberlandesgericht Celle vom 23. Juni 2021 (AZ: 14 U 186/20).

Bei einem Stau auf der Autobahn fuhr der Kläger mit seinem Ferrari auf der Einfädelspur. Da der Verkehr auf der Autobahn stand, stellte er sich mit seinem Fahrzeug in eine kleine Lücke vor einen Lkw. Dabei überfuhr er auch eine durchgezogene Linie. Als der Lkw anfuhr, wurde der Ferrari stark beschädigt. Außergerichtlich zahlte die Versicherung des Lkw-Halters 50 % des Schadens. Der Kläger wollte jedoch 100 % Schadensersatz bekommen und klagte.

Die Klage blieb ohne Erfolg. Die Beklagten hatten sogar die Ansprüche des Klägers übererfüllt. Das Gericht war der Meinung, dass die alleinige Schuld beim Kläger liege. Wegen der erhöhten Betriebsgefahr des Lkw müsse der Beklagte nur zu 25 % haften.

Grundsätzlich sei der Einfahrende auf einer Autobahn wartepflichtig. Es dürfe niemand gefährdet oder behindert werden. Auch im Stop and Go–Verkehr oder beim Stau gilt das Vorfahrtsrecht derjenigen, die bereits auf der Autobahn sind. Grundsätzlich hätte der Lkw-Fahrer auch darauf vertrauen dürfen, dass kein Fahrzeug direkt vor seinem nicht einsehbaren Bereich einfährt. Vor allem nicht, dass der Kläger eine durchgezogene Linie überfährt.

"Auto-Abo" rechtlich wie „Leasing“ - Angaben über Verbrauch erforderlich

München/Berlin (DAV). „Auto-Abos“ entsprechen in ihrer Grundkonzeption dem „Leasing“. Deshalb müssen Anbieter in ihrer Werbung auch über den Kraftstoffverbrauch und die CO2-Emissionen der Fahrzeugmodelle informieren. Diese Angaben sind wichtig für die Entscheidung der Kunden. Außerdem spielen vermehrt Umweltschutzaspekte eine Rolle bei der Fahrzeugentscheidung. Die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über eine Entscheidung des Landgerichts München I vom 27. Mai 2021 (AZ: 17 HK O 11810/20).

In der Werbung des Anbieters gab es keine unmittelbaren Angaben zur CO2-Emission und den Kraftstoffverbrauch. Erforderlich ist es aber nach Ansicht des Gerichts, dass die CO2-Emissionen automatisch in dem Augenblick erscheinen, in dem Angaben zur Motorisierung auf der Webseite des beklagten Unternehmens angezeigt werden.

Das Unternehmen hatte argumentiert, dass die Vorschriften für das „Auto-Abo“ nicht gelten würden, insbesondere handele es sich bei ihrem Angebot nicht um eine Form des „Leasings“.

Das sah das Gericht jedoch anders. Die Unterschiede zum klassischen (Finanzierungs-)Leasing bewirkten aus rechtlichen oder wirtschaftlichen Gründen keine andere Bewertung des „Auto-Abos“. Trotz der Unterschiede sei die Beklagte als Leasinggeberin und ihre Kunden als Leasingnehmer einzustufen. Die Unterschiede zum „Leasing“ seien rechtlich betrachtet nicht grundlegend. Auch wirtschaftlich blieben sich beide Modelle im Wesentlichen gleich. Die Ausgestaltung und der Umfang der gewährten Nutzungsrechte seien zwar im Detail unterschiedlich. Die vertragliche Grundkonstellation sei jedoch dieselbe.

Sinn und Zweck der Vorschriften sei es, dass beim Erwerb eines neuen Pkws auf den Verbrauch und die CO2-Emissionen geachtet werden solle. Die Kunden würden mit ihrer Entscheidung für ein Pkw-Modell gleichzeitig eine wirtschaftliche Entscheidung darüber treffen, welche Modelle der Anbieter für seinen Fahrzeugpool erwerbe. Auch wollten die Kunden des „Auto-Abos“ wissen, welche Kosten für den Kraftstoffverbrauch auf sie zu kämen. Darüber spielten Umwelt- und Klimaschutz bei der Entscheidung für oder gegen ein Fahrzeugmodell für Durchschnittsverbraucher eine immer größere Bedeutung. Anbieter müssten daher die Angaben in ihre Bewerbung aufnehmen.

Informationen: www.verkehrsrecht.de

Falschparker: Auch Abschlepper müssen auf Kosten achten

München/Berlin (DAV). Ein Halter muss keine überhöhte Abschleppkosten für seine beiden falsch geparkten Pkw zahlen. Das Abschleppunternehmen darf keine zwei Abschleppwagen in kurzer Folge für kurze Umsetzungen losschicken, nur um Umsätze zu steigern. Dies war „rausgekommen“, da beide Autos dem selben Halter gehörten. Die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über eine Entscheidung des Amtsgericht München vom 17. März 2021 (AZ: 453 C 17734/20).

Der Beklagte parkte seine beiden Autos in der Ladezone eines Discounters. Der Filialleiter ließ die Fahrzeuge abschleppen. Es kamen in kurzer Folge zwei Abschleppwagen. Die erste Anfahrt vom Betriebshof erfolgte um 21:01 Uhr und war um 21:28 Uhr vor Ort. Das erste Auto wurde in eine wenige Fahrminuten entfernte Straße umgesetzt. Dieser Einsatz war um 21:36 Uhr beendet. Das Abschleppfahrzeug kam um 21:54 Uhr wieder auf dem Betriebshof an. Der zweite Abschleppwagen fuhr um 21:32 Uhr los und traf um 21:56 Uhr vor Ort ein. Das zweite Fahrzeug wurde bis 22:07 Uhr umgesetzt. Dieses Abschleppfahrzeug kehrte um 22:28 Uhr auf den Betriebshof zurück.

Das Unternehmen berechnete dem Halter für die Maßnahmen jeweils 330 Euro, davon 201,68 Euro für je eine Stunde „Kranplateauschlepper mit Bergefachkraft“. Damit er seine Autos bekam, ohne das Geld dem Abschleppunternehmen auszubezahlen, hinterlegte er die Abschleppkosten von jeweils 330 Euro beim Amtsgericht. In der Folge verweigerte er die Freigabe der Auszahlung an das Abschleppunternehmen.

Das Unternehmen klagte, der Einsatz eines zweiten Abschleppwagens sei notwendig gewesen. Die Dauer verschiedener Einsätze könne stark variieren. Dass die Fahrzeuge zufällig demselben Halter gehörten, habe die Klägerin nicht wissen können. Bei ansonsten regelmäßig unterschiedlichen Eigentümern sei es ungerecht, wenn der Einsatz für das erste Fahrzeug voll mit einer Stunde berechnet würde, der Einsatz für das zweite Fahrzeug nur noch mit einer halben Stunde.

Das Amtsgericht gab der Klage nur von zweimal 207,50 Euro statt und wies die Klage im Übrigen ab. Die vom Abschleppunternehmen gestellten Rechnungen verstießen sowohl gegen das Gebot der Wirtschaftlichkeit als auch gegen die Schadensminderungspflicht des Geschädigten. Es sei unerheblich, ob die überhöhten Rechnungen auf Organisationsmängel der Klägerin zurück zu führen wären. Oder - worauf die Umstände und der vorgelegte Schriftsatz schließen lassen könnten – „auf ein durch Erbringung nicht erforderlicher Mehraufwendungen bewusst umsatzsteigerndes Vorgehen der Klägerin zurückzuführen ist“, so das Gericht. Soweit die Klägerin nicht habe wissen können, dass der Einsatz mit nur einem Abschleppwagen hätte schneller und damit kostengünstiger bewältigt werden können, hätte ein Anruf beim ersten Fahrer genügt. 

Das Gericht ließ auch nicht das Argument gelten, dass es sich um zwei Abschleppmaßnahmen gehandelt habe, die nur zufällig denselben Beklagten betrafen. So oder so sei die Klägerin nicht berechtigt, unsinnige Kosten zu produzieren. Die Umlage der tatsächlich erforderlichen Kosten könne bei zwei unterschiedlichen Haltern problemlos nach den jeweiligen Zeitanteilen, die die Abschleppmaßnahmen in Anspruch nehmen, aufgeteilt werden. Bei Abschleppmaßnahmen ohne ungewöhnliche großen fahrzeug- oder parksituationsbedingten Zeitmehraufwand könne dies ohne weiteres auch pauschaliert durch entsprechende Quotelung erfolgen.

 

Notfallbremsassistent versagt – wer haftet bei Unfall

Frankfurt/Berlin (DAV). Wenn der Notfallbremsassistent unvermittelt auf der Autobahn bremst, haftet bei einem Unfall nicht automatisch der Halter dieses Wagens. Der Auffahrende haftet zu zwei Dritteln, wenn er wegen fehlendem Sicherheitsabstand nicht rechtzeitig bremsen kann. Denn ihm kann eine konkrete Schuld vorgeworfen werden, dem anderen Fahrer nur technisches Versagen. Die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 9. März 2021 (AZ: 23 U 120/20).

Die Klägerin fuhr auf der A5, als während der Fahrt der Notfallbremsassistent auslöste. Der Beklagte dahinter konnte mit seinem Lkw nicht mehr rechtzeitig bremsen und fuhr auf den Wagen der Klägerin auf. Die Frau verlangte Schadensersatz. Ein Gutachten kam zu dem Schluss, dass der Lkw den bei der Geschwindigkeit erforderlichen Sicherheitsabstand von 50 Metern um 30 Prozent unterschritten hatte. Das Landgericht sprach der Klägerin ein Drittel des geltend gemachten Schadens zu. Ihre hiergegen gerichtete Berufung hatte zum Teil Erfolg. Das Oberlandesgericht erhöhte die Summe und sprach der Klägerin nunmehr zwei Drittel zu.

Es müsse berücksichtigt werden, dass der Unfall durch das Fahrzeug des Beklagten mitverursacht worden sei. Wegen des zu geringen Sicherheitsabstands habe der Lkw-Fahrer nicht mehr rechtzeitig abbremsen können. Angesichts der Größe des Lkw mit einer zulässigen Gesamtmasse über 3,5 t hätte er auf Autobahnen bei mehr als 50 km/h ein Mindestabstand von 50 Metern einhalten müssen.

Die unbegründete und erhebliche Unterschreitung des Sicherheitsabstands ist auf ein schuldhaftes Verhalten zurückzuführen. Das vorausfahrende Fahrzeug wurde aufgrund eines technischen Versagens abgebremst. Dies rechtfertige eine Haftungsverteilung von zwei Dritteln zulasten des LKW-Fahrers. Die Klägerin müsse sich vorwerfen lassen, dass sie ihr Fahrzeug ohne ersichtlichen Grund auf freier Strecke abrupt abgebremste.

Messgeräte fehlerhaft: Kein Bußgeld für geblitzte Autofahrer

 

Messgeräte fehlerhaft: Kein Bußgeld für geblitzte Autofahrer

 

Landstuhl/Berlin (DAV). Wer geblitzt wird, kann in manchen Fällen um ein Bußgeld herumkommen. Das gilt zum Beispiel, wenn das Blitzergerät nicht genau misst oder dies zumindest nicht garantiert werden kann. Das Amtsgericht Landstuhl hat nun festgestellt, dass die Messungen eines bestimmten Gerätes nicht zuverlässig sind. Das Bußgeldverfahren wurde eingestellt.

Konkret geht es um das Messgerät Leivtec XV3. Nach dem Beschluss des Amtsgerichts liegt bei Messungen mit diesem Gerät kein auf einer Standardisierung gründender hinreichender Tatverdacht vor (Beschluss vom 17.03.2021, AZ: 2 OWi 4211 Js 2050/21). Das bedeutet: Blitzerfotos von diesem Gerät beweisen nicht sicher, ob jemand zu schnell gefahren ist.

Der Messgerätehersteller hat selbst darauf hingewiesen, dass Zweifel an der Messgenauigkeit bestehen. Die Mehrzahl der durchgeführten Messungen dürfte zwar wahrscheinlich korrekt sein. Unter bestimmten Bedingungen seien aber Messfehler denkbar.

„Wenn ein Gerät falsch misst oder dies zumindest nicht ausgeschlossen werden kann, darf natürlich niemand auf Grundlage dieses Ergebnisses zu einem Bußgeld verurteilt werden“, erklärt Rechtsanwalt Christian Janeczek von der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV).

Wie das Gericht weiter erklärte, müsste unter diesen Umständen ein Sachverständiger den Messwert ermitteln. Die Kosten dafür stünden allerdings in keinem Verhältnis zu der Geldbuße. Zudem sei über den Messvorgang an sich zu wenig bekannt. Möglich sei allenfalls eine Plausibilitätsprüfung. Ob das Messergebnis richtig ist, könne damit aber nicht bestätigt werden. Das AG Landstuhl hat das Verfahren eingestellt. Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse.

Rechtsanwalt Janeczek rät Autofahrern, bei einem Bußgeldbescheid nicht widerstandslos zu zahlen. Anwältinnen und Anwälte hätte Akteneinsicht und könnten einschätzen, ob ein Bußgeld rechtmäßig ist.

Informationen: www.verkehrsrecht.de

 
 

Beifahrer beschädigt beim Öffnen linke Tür – wer haftet?

Remscheid/Berlin (DAV). Öffnet ein Beifahrer die Tür und stößt dabei gegen eine hohe Bordsteinkante, muss er Schadensersatz zahlen. Entstand der Schaden beim Einsteigen, haftet zu 2/3. Der Fahrer übernimmt das weitere Drittel, da er die Anhaltestelle ausgewählt hat. Die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über eine Entscheidung des Amtsgerichts Remscheid vom 19. November 2020 (AZ: 28 C 111/20).

Die Beklagte wollte in das Auto der Klägerin einsteigen. Das Auto hielt an einem relativ hohen Bordstein. Als sie die Tür bei Dunkelheit öffnete, stieß die untere Kante der Tür an den Bordstein. Der Lack wurde beschädigt. Die Autofahrerin wollte darauf den Schaden von der Mitfahrerin ersetzt bekommen und klagte. Mit Erfolg, zumindest teilweise. 

Nach Auffassung des Gerichts hätte die Beifahrerin besser aufpassen müssen. Wer eine Tür öffne, müsse besonders sorgsam sein. Da sie sich selbst auf dem Bordstein befunden habe, sei es ihr leicht möglich gewesen, darauf zu achten. Das es dunkel war, entschuldige sie nicht. Vielmehr hätte sie noch besser aufpassen müssen. Es sei auch allgemein bekannt, dass Autotüren gegen Bordsteine stoßen können, wenn diese besonders hoch sind. Auch hätte sie beispielsweise mit ihrem Mobiltelefon den Einsteigerbereich ausleuchten können. Allerdings hafte die Klägerin aus der Betriebsgefahr ihres Fahrzeugs zu einem Drittel mit. Sie hatte die Stelle ausgewählt und hätte die Beklagte beim Einsteigen auf Vorsicht hinweisen können.

Die DAV-Verkehrsrechtsanwälte weisen darauf hin, dass der Fall anders entschieden worden wäre, wenn die Klägerin Beklagte aus- statt eingestiegen wäre. In einem solchen Fall musste beim Landgericht Wuppertal der Fahrer zu 70 % und der Beifahrer zu 30 % haften (AZ: 9 S 134/14).

Informationen: www.verkehrsrecht.de

Städte und Gemeinden müssen Pflasterflächen regelmäßig kontrollieren

Hamm/Berlin (DAV). Die Kommunen müssen dafür sorgen, dass niemand gefährdet wird, der Fußwege und Straßen benutzt. Stürzt man dennoch über eine Unebenheit, haftet die Stadt aber nicht automatisch. Die Kontrollpflicht besteht nicht täglich. Kann die Gemeinde darlegen, dass sie den Gehweg in zeitlicher und örtlicher Hinsicht ausreichend kontrolliert hat, haftet sie nicht. Die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm vom 16. Oktober 2020 (AZ: 11 U 72/19).

Die damals 64jährige Klägerin verlangt Schadensersatz und Schmerzensgeld von mehr als 20.000 Euro von der Gemeinde. Sie stürzte auf dem Marktplatz über einen 4 bis 5 cm herausragenden Pflasterstein. Sie brach sich dabei den linken Oberarmknochen mehrfach. Sie wirft der beklagten Stadt vor, eine Gefahrenquelle durch den hinausragenden Pflasterstein nicht beseitigt zu haben. Sie habe das Hindernis auch nicht erkennen können. Die beklagte Stadt hingegen meinte, die dortige Pflasterung und der Plattenbelag würden regelmäßig einmal pro Woche durch einen geschulten Straßenbegeher – zuletzt fünf Tage vor dem Unfall – kontrolliert.

Die Klage der Frau scheiterte. Es komme nicht darauf an, in welcher Höhe der Pflasterstein herausgestanden habe, weil die beklagte Stadt den Markplatz jedenfalls ausreichend kontrolliert habe. Zwar bestünden keine Zweifel daran, dass die Klägerin zur angegebenen Zeit an der angegebenen Stelle über einen hochstehenden Pflasterstein gestolpert sei. Auch sei klar, dass dieser Pflasterstein eine Gefahrenstelle dargestellt habe, die zu beseitigen gewesen wäre. Die Stadt hafte dennoch nicht. Sie habe ihre Kontrollpflicht nicht verletzt. Zu dieser Pflicht gehöre es, die Straßen und Wege – in Abhängigkeit von ihrer Verkehrsbedeutung – regelmäßig zu beobachten und in angemessenen Zeitabschnitten zu befahren oder zu begehen. Es könne aber nicht verlangt werden, dass eine Straße oder ein Weg ständig völlig frei von Mängeln und Gefahren sei. Ein solcher Zustand lasse sich nicht erreichen. Der Stadt könne kein Vorwurf gemacht werden, da sie rund fünf Tage vor dem Unfall die spätere Unfallstelle bei einer ihrer wöchentlichen Kontrollen noch habe überprüfen lassen. Dass die Kontrolle nicht ausreichend gewesen wäre, gäbe es keine Anhaltspunkte. Der Pflasterstein könne sich auch kurz vor dem Unfall der Klägerin gelockert haben.

Informationen: www.verkehrsrecht.de