BGH vertagt Entscheidung über Selbstbestimmungsrecht am Lebensende

Berlin. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat heute über das Selbstbestimmungsrecht von Patienten und Pflegebedürftigen verhandelt. Dabei ging es um die grundsätzliche Entscheidung zu Rechtsfragen des Abbruchs und der Unterbrechung der Behandlung eines unheilbar erkrankten und selbst nicht mehr entscheidungsfähigen Patienten. Eine abschließende Entscheidung ist auf den 25. Juni 2010 vertagt worden. Anwälte raten zur Durchsetzung eigenen Willens dringend dazu, eine eigene, individuelle Patientenverfügung zusammen mit einer Vorsorgevollmacht zu errichten.


Beim BGH ging es um den Fall, bei dem vor dem Inkrafttreten des neuen Patientenverfügungsgesetzes am 01. September 2009 eine Tochter und ihr beratender Anwalt auf die Anklagebank gebracht hatten. Die Tochter hatte den Schlauch der Ernährungssonde ihrer seit 5 Jahren im Wachkoma liegenden alten Mutter durchschnitten. Dies geschah auf Rat eines Anwaltes, den die Tochter eingeschaltet hatte, weil das Heim sich zunächst geweigert hatte, die künstliche Ernährung zu beenden. Weil auch der behandelnde Arzt die Einstellung der künstlichen Ernährung angeordnet hatte, lenkte das Heim schließlich ein. Das Gesamtunternehmen hatte das Heim dann aber angewiesen die Sonde wieder anzulegen, der Tochter Hausverbot zu erteilen und die gegenteilige mündliche Patientenverfügung der Patientin zu ignorieren.

Ob der Rat zum Durchtrennen des Schlauches ein strafbarer Tötungsversuch war, ist nun höchstrichterlich zu entscheiden. Der BGH diskutierte in dem Zusammenhang, inwieweit sich das 2009 in Kraft getretene Patientenverfügungsgesetz und das Verbot der Tötung auf Verlangen unvereinbar gegenüberstehen. Bundesrichter Fischer sprach an, dass ein Mensch nicht nur das Recht hat, friedlich zu sterben, sondern auch qualvoll, falls er dies wünscht.

Bereits im Vorfeld hatte ein Vertreter der Bundesanwaltschaft angekündigt, auf Freispruch zu plädieren. Und das völlig zu Recht. Jede andere Entscheidung würde das neue Patientenverfügungsgesetz ad absurdum führen. Es respektiert den verfassungsrechtlich geschützten Willen des Menschen, über seinen Körper und sein Leben selbst zu entscheiden. Auch wenn die Entscheidung unvernünftig ist oder einfach nur von anderen nicht respektiert wird. Jede Behandlung ist grundsätzlich Köperverletzung. Nur die Einwilligung des Betroffenen macht sie zulässig. Auch jede Weiterbehandlung bedarf einer solchen rechtfertigenden Erklärung. Der Abbruch mit Willen des Betroffenen braucht sie gerade nicht. Wird die Behandlung gegen den Willen des Patienten erzwungen, so ist das die strafbare Handlung und nicht der Abbruch.

Allerdings ist für den zu entscheidenden Fall zu beachten, dass die wegen des Streites der Beteiligten an sich einzuholende Genehmigung des damals zuständigen Vormundschaftsgerichtes nicht eingeholt worden war. Wildwestmethoden nennen das manche und fordern, dass der Patientenwille nicht zum Spielball fremder Interessen werden darf. Aber erst recht darf der Wille nicht gebrochen werden, wie dies durch das Anlegen der Sonde geschehen ist.

Es wird zur Durchsetzung des eigenen Willens geraten dringend dazu eine eigene, individuelle Patientenverfügung zusammen mit einer Vorsorgevollmacht zu errichten. Das beste Recht nutzt nichts, wenn es nicht jemand durchsetzt. Die Patientenverfügung muss nach neuem Recht schriftlich sein. Sie sollte Auslegungsregeln enthalten für all die Situationen, die man nicht sicher vorhersehen kann. Denn auch der mutmaßliche Wille kann reichen, um den Patientenwillen zu realisieren. Geben Sie Ihrem Bevollmächtigten und den sie behandelnden Ärzten Regieanweisungen für ihr Drehbuch am Lebensende und sorgen Sie dafür, dass sie durchgesetzt werden.