Familienrecht

Leihmutterschaft: Wunscheltern als Eltern anerkannt

Sinsheim/Berlin (DAV). Ein Ehepaar, das durch eine von einer amerikanischen Leihmutter ausgetragene Embryonenspende Eltern geworden war, hat die Anerkennung ihrer Elternschaft in Deutschland erreicht. Über die Entscheidung des Amtsgerichts Sinsheim vom 15. Mai 2023 (AZ: 20 F 278/22) informiert die Arbeitsgemeinschaft Familienrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV).

Das Ehepaar mit unerfülltem Kinderwunsch hatte eine kalifornische Leihmutter gefunden, die die Embryonenspende einer anonymen Spenderfamilie austrug.

Ein kalifornisches Gericht bestätigte, dass das Ehepaar als die natürlichen und rechtlichen Eltern des Kinds zu gelten hätten.

In Deutschland strebte das Ehepaar die Anerkennung dieser ausländischen Entscheidung über ihre Elternschaft an. Es hatte nicht den Weg über die Adoption im Ausland oder die Vaterschaftsanerkennung und nachfolgende Stiefkindadoption in Deutschland gewählt, sondern wollte die Anerkennung ihrer gemeinsamen Elternschaft von Anfang an erreichen.

Mit Erfolg. Zwar stütze das deutsche Recht die Elternschaft nur auf Abstammung oder Adoption, nicht aber auf vertragliche Vereinbarungen. Verträge über eine Leihmutterschaft seien verboten. Trotzdem sei es noch kein Verstoß gegen deutsche Rechtsgrundsätze, wenn eine ausländische Entscheidung zur Leihmutterschaft den Wunsch- oder Bestelleltern die rechtliche Elternstellung zuweise. Für die Anerkennung Leihmutterentscheidung sei vielmehr das Kindeswohl entscheidend. Das umfasse auch ein Recht des Kinds auf rechtliche Zuordnung zu beiden Eltern.

Die Wunscheltern nähmen die Elternstellung ein und wollten dem Kind die nötige Zuwendung geben. Nach diesen Grundsätzen spreche also aus Kindeswohlgründen viel dafür, die ausländische Entscheidung anzuerkennen.

Die Grundsätze seien allerdings bisher davon ausgegangen, dass zumindest ein Wunschelternteil mit dem Kind genetisch verwandt sei. Das sei hier nicht der Fall.

Stelle man aber auch in einem Fall wie dem vorliegenden – Anerkennung der Elternschaft ohne genetische Verwandtschaft mit dem Kind – das Kindeswohl in den Mittelpunkt, komme man in der Regel zu dem Ergebnis, die Entscheidung anzuerkennen. Man könne davon ausgehen, dass die Wunscheltern sich wahrscheinlich stets gut um das Wunschkind kümmern und über ausreichende Mittel verfügten, um es gut zu erziehen und zu fördern. 

Allerdings sei hier eine intensivere Prüfung des Sachverhalts notwendig. Diese umfasse

  • Bestellung eines Ergänzungspflegers
  • Stellungnahme des Jugendamtes
  • Befragung der zentralen Adoptionsvermittlungsstelle oder einer anderen geeigneten Behörde zu den Verhältnissen im Herkunftsland
  • persönliche Anhörung der Wunscheltern und des Kinds (bzw. dessen Wahrnehmung)
· nach Möglichkeit Anhörung der Leihmutter.

Information: www.dav-familienrecht.de

Elternteil ohne Sorgerecht kann gegen Entscheidung über Vormundschaft Beschwerde einlegen

Braunschweig /Berlin (DAV). Auch nach dem Verlust des Sorgerechts kann ein Elternteil Beschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung über die Vormundschaft einlegen. Auf diese Entscheidung des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 17. März 2023 (AZ: 1 UF 2/23) weist die Arbeitsgemeinschaft Familienrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) hin.

Seit der Ermordung ihrer Mutter lebt das 2019 geborene Mädchen bei ihren Großeltern mütterlicherseits. Nachdem der Vater wegen des Mords an seiner Frau zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden war, wurde ihm das Sorgerecht für seine Tochter entzogen. Der Mann wollte erreichen, dass seine Schwester Vormund für die Tochter würde.

Das Gericht in erster Instanz bestellte jedoch die Großeltern mütterlicherseits zu Vormündern. Der Vater legte dagegen Beschwerde ein.

Die Richter in zweiter Instanz betonten, dass seine Beschwerde zulässig sei. Der Vater sei trotz des Entzugs der elterlichen Sorge beschwerdeberechtigt. Im vorliegenden Fall habe der Vater bereits im Rahmen des Sorgerechtsentzugs den Vorschlag gemacht, eine Verwandte als Vormund zu bestellen. Auch als nicht mehr sorgeberechtigten Elternteil könne ihm die Beschwerdeberechtigung nicht abgesprochen werden.

In der Sache hatte der Mann jedoch keinen Erfolg. Die Schwester des Vaters sei zwar grundsätzlich auch als Vormund geeignet. Zweifelhaft sei aber, wie sie den eventuell bevorstehenden Interessenkonflikt zwischen dem Mädchen und der Familie ihres Vaters handhaben werde. Sie sei ebenso wie ihre Eltern weiterhin von der Unschuld ihres Bruders überzeugt.

Außerdem sei für das Mädchen größtmögliche Stabilität und Kontinuität anzustreben.

Es lebe seit der Ermordung der Mutter bei den Großeltern und fühle sich dort offensichtlich sehr wohl. Darüber hinaus wisse man jetzt noch nicht, ob das Mädchen mit zunehmendem Alter in der Auseinandersetzung mit dem Tod ihrer Mutter ein Bedürfnis nach Abstand zur Familie ihres Vaters verspüren werde. Die Traumaverarbeitung würde erschwert, lebte das Mädchen bei seiner Tante.

Kein Teilentzug des Sorgerechts bei Ablehnung von Bluttransfusionen

Berlin (DAV). Die Ablehnung von Bluttransfusionen aus religiösen Gründen rechtfertigt nicht den teilweisen Entzug des elterlichen Sorgerechts. Das entschied das Kammergericht Berlin am 5. September 2022 (AZ: 16 UF 64/22), wie die Arbeitsgemeinschaft Familienrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) berichtet.

Der Vater wollte erreichen, dass er allein für seinen Sohn würde entscheiden könne, wenn es um die Frage einer Bluttransfusion ginge. Die Mutter des Jungen, von der der Mann getrennt lebt, lehnte als Zeugin Jehovas Bluttransfusionen grundsätzlich ab.

Vor Gericht hatte der Mann keinen Erfolg. Es gehe ihm nicht um die Regelung einer konkreten Entscheidung, vielmehr wolle er erreichen, grundsätzlich allein entscheiden zu können. Damit betreffe es keinen Einzelfall, sondern

einen Teilbereich der elterlichen Sorge. Dieser wäre aus dem gemeinsamen Sorgerecht der Eltern insgesamt herauszulösen und auf den Vater zu übertragen. Die Richter waren jedoch der Ansicht, dass das dem Wohl des Kinds nicht am besten entspreche.

Nur weil die Mutter Bluttransfusionen ablehne, heiße das nicht, dass sie auf Kosten der Gesundheit oder des Lebens ihres Kinds gegen eine Bluttransfusion entscheiden würde. Der Sohn gehöre nicht den Zeugen Jehovas an, weswegen deren strenge Regeln für ihn nicht gelten würden.

Würde die Mutter in einem konkreten Notfall ihre Zustimmung verweigern, müsste das Familiengericht eingeschaltet werden. Es stünde dann eine missbräuchliche Ausübung des elterlichen Sorgerechts im Raum. Sollte die Situation hierfür keine Zeit lassen, läge ein Notfall vor. Der Arzt sei dann verpflichtet, das Leben und die Gesundheit des Kinds durch medizinisch notwendige Maßnahmen zu schützen, auch wenn es keinen gerichtlichen Ersatz der elterlichen Einwilligung gebe.

Information: www.dav-familienrecht.de

Versorgungsausgleich trotz Straftat

Bamberg/Berlin (DAV). Ein Versorgungsausgleich kann auch dann durchgeführt werden, wenn ein Ehepartner durch eine Straftat des anderen ausgleichspflichtig geworden ist. Auf eine entsprechende Entscheidung des Oberlandesgerichts Bamberg vom 08. August 2022 (AZ: 7 UF 99/22) weist die Arbeitsgemeinschaft Familienrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) hin.

Bei der Scheidung wehrte sich die Ehefrau gegen die Durchführung des Versorgungsausgleichs. Sie war der Meinung, ihr Mann hätte erheblich höhere Anwartschaften beim Landesamt für Finanzen, wäre er nicht straffällig geworden. Dadurch sei sie ausgleichspflichtig geworden. Ihrem Mann müsse bewusst gewesen sein, dass er sie durch sein Verhalten massiv schädige. 

Ihr Mann hatte als Beamter jahrelang systematisch Akten und Aktenteile versteckt und sie so der Bearbeitung entzogen. 2013 wurde er zu einer Freiheitsstrafe mit Bewährung verurteilt. Er wurde aus dem Beamtenverhältnis entlassen und in der gesetzlichen Rentenversicherung nachversichert.

Das Gericht lehnte einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs ab. Es konnte nicht erkennen, dass der Mann die Straftaten (auch) beging, um seine Frau in irgendeiner Form zu benachteiligen, auch weil sich das Ehepaar erst einige Jahre später trennte.

Die Richter hätten seinerzeit festgestellt, dass das Fehlverhalten des Manns mindestens zum Teil krankheitsbedingt gewesen sei. Berücksichtige man dies, widerspreche die Durchführung des Versorgungsausgleichs keineswegs dem gesetzlichen Grundgedanken. Die Frau sei an der negativen Karriereentwicklung ihres Mannes genauso beteiligt, wie sie von einer positiven Entwicklung seiner beruflichen Laufbahn profitiert hätte.

Nutzungsentschädigung für Ehewohnung – Nachweis erforderlich

Karlsruhe/Berlin (DAV). Macht ein Ehepartner nach der Trennung einen Anspruch auf Nutzungsentschädigung für die ehemalige gemeinsame Wohnung geltend, muss er beweisen können, dass der andere diese auch tatsächlich genutzt hat. Darauf macht die Arbeitsgemeinschaft Familienrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mit Blick auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Brandenburg vom 13. März 2023 (AZ: 13 UF 83/20) aufmerksam. 

Nach der Trennung zog die Frau aus dem Haus, dass ihr und ihrem Mann gemeinsam gehörte. Von ihrem Ex-Partner verlangte sie für die Zeit des Getrenntlebens eine Nutzungsentschädigung für das Haus.

Der Mann hatte seiner Frau den hälftigen Miteigentumsanteil an dem gemeinsam bewohnten Grundstück geschenkt. Bebaut war das Grundstück mit zwei Einfamilienhäusern. Im größeren Vorderhaus lebte das Paar bis zur Trennung. Nach Angaben der Frau nutzte der Mann nach ihrem Auszug das gesamte Grundstück sowie das vordere Haus, in dem er sein Büro unterhalte.

Die Frau hat keinen Anspruch auf Nutzungsentschädigung. In der Tat könne zwar derjenige Ehepartner, der dem anderen die Ehewohnung überlassen habe, von diesem eine Vergütung für die Nutzung verlangen. Im vorliegenden Fall könne die Frau jedoch nicht den Nachweis erbringen, dass ihr Ex-Partner das Haus in der in Frage stehenden Zeit genutzt hat. Eine Nutzungsentschädigung sei jedoch nur dann zu zahlen, wenn der eine Ehepartner nachweisen könne, dass der andere die Ehewohnung nach der Trennung auch tatsächlich genutzt habe.

Information: www.dav-familienrecht.de

Kindertagespflege: Verlust der Erlaubnis wegen fehlender persönlicher Betreuung

Karlsruhe/Berlin (DAV). In der Kindertagespflege ist die höchstpersönliche Betreuung des jeweiligen Kinds durch eine bestimmte Betreuungskraft vorgeschrieben. Halten sich Tagespflegekräfte nicht daran, kann dies den Entzug der Erlaubnis zur Ausübung der Kindertagespflege nach sich ziehen. Über eine entsprechende Entscheidung des Verwaltungsgericht Hannover vom 14. März 2023 (AZ des Klageverfahrens: 3 A 1393/23; AZ des Eilverfahrens: 3 B 1394/23) informiert die Arbeitsgemeinschaft Familienrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV).

Die Frau betrieb gemeinsam mit ihrem Mann und mehreren angestellten Tagespflegekräften drei sogenannte Großtagespflegestellen. Hier wurden Kinder, die älter als ein Jahr waren, betreut. Das Ehepaar und die Mitarbeiter waren als Kindertagespflegekräfte geschult, besaßen jedoch keine Qualifikation als pädagogische Fachkräfte.

Bei Überprüfungen vor Ort stellte das Jugendamt fest, dass bei einigen Tagespflegekräften die zulässige Höchstzahl gleichzeitig betreuter Kinder überschritten war. Außerdem hatte die Betreiberin ein Kind zeitweise ihrer minderjährigen Tochter zur Betreuung überlassen. Gegen den Entzug der Erlaubnis zur Ausübung der Kindertagespflege wehrte sich die Frau vor Gericht.

Ohne Erfolg. Die Frau habe tatsächlich gar nicht drei eigenständige Großtagespflegestellen betrieben, sondern es habe sich faktisch um eine Kindertagesstätte gehandelt. Für die Leitung einer solchen Einrichtung habe die Frau jedoch nicht die erforderliche fachliche Qualifikation. 

Prägend für die Kindertagespflege sei die höchstpersönliche Betreuung des jeweiligen Kinds durch eine bestimmte Betreuungskraft. Das sei hier nicht eingehalten worden. Insbesondere in Randzeiten habe häufig eine andere als die zugewiesene Betreuungskraft die Betreuung übernommen habe. Hinzu komme der Einsatz der minderjährigen Tochter als Aufsichtsperson für ein Kind und die Tatsache, dass die Höchstzahl der gleichzeitig betreuten Kinder überschritten worden sei.

Darüber hinaus zeige die Frau eine mangelnde Einsicht in die Rechtswidrigkeit dieser Umstände. Die Rechtsverstöße und ihre Haltung dazu stellen eine abstrakte Kindeswohlgefährdung dar, betonte das Gericht.

Stammeshochzeit kann auch in Deutschland gültig sein

Hamm /Berlin (DAV). Eine nach einem traditionellen Stammesritus geschlossene Ehe kann unter Umständen gültig sein. Die Arbeitsgemeinschaft Familienrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) weist auf eine entsprechende Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm am 01. Februar 2022 (AZ: 15 W 142/21) hin.

Der Mann, deutscher Staatsangehöriger, beabsichtigte zu heiraten. Beim Standesamt gab er an, vor Jahren in Nigeria geheiratet zu haben. Er habe sich aber von einem Rechtsanwalt beraten lassen und halte diese Heirat für ungültig. 

Der Mann erklärte zuerst, in Nigerias größter Stadt Lagos standesamtlich geheiratet zu haben, er besitze jedoch keine Unterlagen darüber. Später behauptete er, im Rahmen einer Stammeshochzeit geheiratet zu haben. Diese sogenannte Traditionelle Heirat habe keine Rechtswirkungen. 

Angesichts der widersprüchlichen und lückenhaften Angaben des Manns konnte das Standesamt den Sachverhalt nicht aufklären. Es wandte sich an das Gericht mit der Frage, ob es die Anmeldung der Eheschließung beurkunden müsse. 

Das verneinten die Richter. Sie kamen wie das Standesamt zu dem Ergebnis, dass bei dem Mann ein so genanntes Ehehindernis bestehe. Es sei ihm nicht gelungen, die Zweifel am Bestehen einer Doppelehe auszuräumen. 

Auch eine traditionell geschlossene Ehe (customary marriage) könne ein Ehehindernis darstellen. „...eine solche Ehe kann als wirksam anzusehen sein, wenn einem der beiden Ehepartner durch die Nichtanerkennung substanzielles Unrecht zugefügt würde“. Das jedoch könnte man nicht feststellen. Nachforschungen seien nicht erfolgversprechend, da Name und Adresse der Frau unbekannt seien.

Information: www.dav-familienrecht.de

Keine Volljährigenadoption bei intakter Beziehung zu Elternteil

Karlsruhe/Berlin (DAV). Die Adoption eines Erwachsenen ist möglich. Sie setzt zwischen Annehmenden und Anzunehmenden ein Eltern-Kind-Verhältnis voraus. Ein bestehendes gutes Verhältnis zu einem biologischen Elternteil macht dies allerdings unwahrscheinlich. Über eine entsprechende Entscheidung des Oberlandesgericht Karlsruhe vom 17. Mai 2022 (AZ: 18 UF 60/21) informiert die Arbeitsgemeinschaft Familienrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV).

Der Mann hatte seit seiner Kindheit engen Kontakt zu seiner Tante. 2020 wollte die Frau ihren Neffen adoptieren. Zwischen ihnen bestehe seit rund 15 Jahren ein Eltern-Kind-Verhältnis.

Das sah das Gericht anders. Dagegen spreche vor allem, dass der Anzunehmende eine intakte Beziehung zu seiner leiblichen Mutter habe. Zwar könnte auch bei guten Beziehungen zu den leiblichen Eltern ein Eltern-Kind-Verhältnis zwischen Annehmenden und Anzunehmenden bestehen. Doch ergäben sich Zweifel. Es entspreche nicht der Lebenserfahrung, dass jemand, der ein echtes Eltern-Kind-Verhältnis zu seinen leiblichen Eltern habe, eine ähnliche Beziehung zu einer anderen Person aufbauen könne. 

Außerdem gebe es für die geplante Adoption auch finanzielle und damit „familienfremde“ Motive. Diese würde zu einer Ersparnis von Erbschaftssteuer führen. Insgesamt konnte das Gericht nicht feststellen, dass Tante und Neffe den Adoptionswunsch auch dann verfolgt hätten, wenn dieser familienfremde Adoptionszweck mit der Annahme nicht erreicht werden könnte. 

Information: www.dav-familienrecht.de

Streit um Umgangsrecht – Kindeswille kann Ausschlag geben

Brandenburg/Berlin (DAV). Streiten Eltern um das Umgangsrecht, spielt auch der Kindeswille eine Rolle. Lehnt das Kind stabil, zielorientiert und autonom den Umgang ab, kann das Gericht etwa einen befristeten Umgangsausschluss anordnen. Das berichtet die Arbeitsgemeinschaft Familienrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mit Blick auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Brandenburg vom 19. April 2022 (AZ: 9 UF 209/21).

Das 2011 geborene Mädchen lebt bei der Mutter. Die Eltern stritten hochemotional und verletzend um das Umgangsrecht des Vaters. Der Vater thematisierte gegenüber dem Kind immer wieder die elterlichen Streitpunkte. Im Laufe des Streits entwickelte die Tochter eine immer vehementere Ablehnung der Umgangskontakte mit ihrem Vater bis schließlich hin zu einer totalen Verweigerung.

Das Gericht entschied, den Umgang zwischen Vater und Tochter für zwei Jahre auszuschließen. Die in Ausnahmefällen gegebenen Voraussetzungen für einen Ausschluss lägen hier vor. Die Tochter lasse bereits seit längerem eine solche Verweigerungshaltung erkennen, dass ein Umgang ihr Kindeswohl massiv gefährden würde.

Die Richter betonten, dass bei einer solchen Entscheidung auch der Willen des Kinds eine Rolle spiele – je älter das Kind, desto mehr. Seine wachsende Fähigkeit zu eigener Willensbildung und selbständigem Handeln sei zu berücksichtigen, damit es sich zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit entwickeln könne. Ein erzwungener Umgang könne unter Umständen mehr Schaden verursachen als Nutzen bringen. Dies gelte umso mehr, wenn das Kind Loyalitätskonflikten ausgesetzt sei. Bloße Widerstände des Kinds oder dessen Lustlosigkeit am Umgang könnten den Ausschluss allerdings nicht rechtfertigen.

Immobilienschenkung der Schwiegereltern: Rückforderung nach Scheidung?

Frankfurt/Berlin (DAV). Nach einer Scheidung passiert es nicht selten, dass die früheren Schwiegereltern eine Schenkung wegen Wegfall der Geschäftsgrundlage zurückfordern. Dies ist jedoch nicht ohne weiteres möglich. Darüber informiert die Arbeitsgemeinschaft Familienrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mit Blick auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 12. Oktober 2021 (AZ: 6 UF 67/20).

Die Eltern des Ehemanns übertrugen 1996 ihr Wohnhaus mit Grundstück dem Ehepaar jeweils zu hälftigem Miteigentum. Die Eltern sicherten sich dabei vertraglich unter anderem ein Wohnrecht und Pflegeleistungen im Alter. Darüber hinaus behielten sie sich den Widerruf der Schenkung vor.  

Über 20 Jahre später ließen sich Sohn und Schwiegertochter scheiden. Der Mann war der Meinung, dass seine Mutter für die Immobilienschenkung wegen „Wegfalls der Geschäftsgrundlage“ einen (an ihn abgetretenen) Zahlungsanspruch gegen seine Ex-Frau habe.

Das sah das Gericht anders. Es konnte nicht erkennen, dass die dauerhafte Ehe die Geschäftsgrundlage gewesen sei. Zum einen sprächen schon die 1996 steigenden Scheidungszahlen dagegen, zum anderen aber auch die umfassende vertragliche Absicherung der Eltern des Manns durch Wohn- und Pflegerecht und insbesondere durch die Widerrufsrechte bei Verkauf oder Vermietung. Mit diesen Klauseln hätten sie ihre persönlichen und wirtschaftlichen Nutzungsinteressen unabhängig vom Lebensverlauf des Ehepaars gesichert, so die Richter, „so dass gerade nicht unterstellt werden kann, sie wären von einer lebenslangen Dauer der Ehe ausgegangen“.

Allein der Wegfall der Geschäftsgrundlage würde außerdem noch nicht zu einer Vertragsanpassung berechtigen. Es müsse hinzukommen, dass man dem Schenkenden nicht zumuten könne, an der Schenkung in der bisherigen Form festzuhalten. Kriterien dabei seien unter anderem die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse von Schwiegereltern und früheren Ehepartnern.

Vor diesem Hintergrund sei eine Bindung der Mutter des Ehemanns an den Übergabevertrag tragbar: Sie sei gegen Nachteile umfassend abgesichert. 

Information: www.dav-familienrecht.de