Respekt

Auch wenn man 31 Jahre Anwalt ist und mit der örtlichen Justiz einiges erlebt hat, das oftmals ein stummes Kopfschütteln hervorgerufen hat, gebührt dem Umgang der Justiz mit dem Fall des jungen Erwachsenen, der zur Lynchjustiz gegen einen festgenommenen 17-jährigen Verdächtigen in dem „sozialen“ Netzwerk Facebook mit den Worten aufgerufen hat, „das Schwein totzuschlagen“, Respekt. Der mit dem Tode bedrohte Verdächtige war unschuldig. Er hatte mit dem Mord an der 11-jährigen Lena aus Emden, die am 23. März 2012 am hellen Tage, mitten in der Stadt vergewaltigt und umgebracht worden war, nichts, aber auch gar nichts zu tun.

Die Ermittlungen gegen den lynchbereiten Hetzer wurden schnell abgeschlossen, noch schneller die Anklage erhoben und nur gut 8 Wochen nach der Tat fand heute am 30. Mai 2012 der Termin zur Hauptverhandlung vor dem Jugendschöffengericht des Amtsgerichts in Emden unter dem Vorsitz von Richter am Amtsgericht Günter Buchholz statt.

Ganz offensichtlich war sich die Justiz darüber im klaren, dass es notwendig war, schnell – nicht hastig – zu einem Abschluss zu kommen und zwar aus einer Reihe von Gründen. Der erste und wichtigste Grund war wohl, die seelische und geistige Gesundheit des Lynchopfers wiederherzustellen. Die jetzt erfolgte Verurteilung des Täters kann helfen, ihm sein Vertrauen in die Gesellschaft wieder zurückzugeben. Es galt aber auch dem Täter – und nicht nur ihm, sondern auch den etwa 50 anderen, die seinem Internetaufruf zur Erstürmung der Polizeiwache gefolgt sind – unmissverständlich öffentlich klar zu machen, dass der Staat allein das Gewaltmonopol innehat. Die jetzt erfolgte Verurteilung hat darüber hinaus Signalwirkung, die hoffentlich auch bis in die zuweilen für rechtsfrei gehaltenen Chaträume des Internets reicht.

Die allenthalben immer wieder an Stammtischen und in den diversen Internetforen anzutreffende „Kopf-Ab-Mentalität“ gilt es rückhaltlos zu bekämpfen. Dabei ist es völlig einerlei, ob ein als einer Straftat Verdächtiger sich als schuldig oder unschuldig herausstellt. Der Fall in Emden hat eindrucksvoll bewiesen, warum mit allen Mitteln verhindert werden muß, dass der Mob das Recht in die Hand nimmt. Die Justiz hat bewiesen, dass sie handlungsfähig ist, dass sie den Gesetzen Geltung verschafft und damit alle beschämt, die insgeheim mit dem zur Lynchjustiz aufrufenden sympathisiert haben. Dafür gebührt der Justiz unser Respekt. Hoffentlich ist dem jungen Mann, der jetzt von Richter Bergholz unter Anwendung des Jugendrechts zu einer 2-wöchigen Arreststrafe verurteilt wurde, klar geworden, welches wichtige Rechtsgut – die Unschuldsvermutung – er mit Füßen getreten hat.

Das Strafmaß ist der Tat angemessen, und bei Jugendlichen heißt das, dass die Strafe auch in diesem Fall ausschließlich dazu dient, dem Täter Gelegenheit zu geben, die Richtigkeit der gesetzlichen Grundlagen unserer Gesellschaftsordnung, zu der die Unschuldsvermutung als eines ihrer Grundpfeiler gehört, anzuerkennen und zukünftig sein Handeln danach auszurichten.